Armenischer Bischof: Eine Demokratie ist untergegangen

Der Bischof der Armenischen Apostolischen Kirche in Deutschland sieht den Massenexodus aus der armenisch bewohnten Exklave Berg-Karabach auch als Niederlage für die Demokratie. „Eine kleine Demokratie ist untergegangen, eine Diktatur hat gesiegt“, sagte Bischof Serovpe Isakhanyan im Interview der „Herder Korrespondenz“ (November-Ausgabe). Nach dem Angriff im September durch Aserbaidschan scheint das armenische Siedlungsgebiet in Berg-Karabach verloren zu sein. Rund 120.000 Armenier sind seither ins Mutterland geflohen.

Isakhanyan hofft zwar, dass die internationale Gemeinschaft das Selbstbestimmungsrecht der Exklave achtet und den Vertriebenen eine Rückkehr ermöglicht. „Es scheint aber nicht so, als ob bei all den Kriegen derzeit noch Aufmerksamkeit und Durchsetzungswille bleibt für Berg-Karabach“, so der Bischof, der die rund 60.000 orthodoxen Armenier in Deutschland seit 2019 leitet. Sitz der Diözese ist Köln.

Eine ethnische Säuberung des Gebiets durch gewaltsame Vertreibung sei offensichtlich das Ziel Aserbaidschans gewesen, sagte er. Dabei sei der Gesamtetat des ganzen Staates Armenien nicht so groß wie das Militärbudget Aserbaidschans. Er selbst lehne jede Form von Gewalt ab, so der Bischof – „außer, wenn man sich verteidigt“. Niemand könne das Recht auf Verteidigung aberkennen. Berg-Karabach habe aber nicht genügend Mittel, um standzuhalten.

Auf die Frage, ob sich die Berg-Karabacher nicht Aserbaidschan hätten anschließen können, sagte Isakhanyan, die Armenier dort hätten Aserbaidschan nie vertrauen können, was die Gewährleistung von Kultur, Sprache und Sicherheit angehe. Ohne internationale Garantien funktioniere es nicht, so der Bischof.

Er warf Aserbaidschan vor, seit Jahren systematisch Kulturgüter in den von ihm beanspruchten Gebieten zu zerstören, insbesondere in Nachitschewan. Tausende armenischer Kreuzsteine seien bereits zerstört; „ein Erbe der ganzen Menschheit“, so Isakhanyan. Aserbaidschan wolle „alle Beweise vernichten, dass Armenier dort gelebt haben“. Ebenso sei die Türkei gegen Armenier vorgegangen.

Dennoch rief Isakhanyan auch zu Zuversicht auf: „Ein Christ hat kein Recht, pessimistisch zu sein“, sagte er. Die Armenier hätten in der Geschichte viele Schicksalsschläge erlitten und auch einen schrecklichen Völkermord überlebt. Man werde auch diese schwierigen Zeiten überwinden und eine neue Seite in der armenischen Geschichte aufschlagen.

Serovpe Isakhanyan, 1963 in Hazarjrib im Iran geboren, studierte Theologie in Etschmiadzin in Armenien und wurde 1987 zum Priester geweiht. Nach Tätigkeiten in Armenien, Moldau und Usbekistan begann er 1995 seinen Dienst in Köln. Von 2010 bis 2018 war er Bischofsvikar der Diözese.