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ARD-Dramedy “The Morning After” gleicht Kater nach durchzechter Nacht

Eine Gruppe junger Frauen, alle in den Zwanzigern, sucht am Traumstrand von Kapstadt in Südafrika nach dem Sinn des Lebens. Klingt etwas platt? Ist es auch.

Am Anfang war das Wort – in diesem Fall die Vorankündigung des SWR zu einer “Dramedy in atemberaubender Landschaft”. Der Inhalt von “The Morning After” wurde da wie folgt zusammengefasst: “Als Partygirl Nina nackt am Strand von Kapstadt aufwacht, ohne Wertsachen und 10.000 Kilometer von ihrer englischen Heimat entfernt, ist unübersehbar, dass ihr Leben aus den Fugen geraten ist. Die vier Twentysomethings einer schrägen Strandhaus-WG retten sie aus der üblen Lage. Der lässige Lifestyle der Gruppe gefällt Nina. Allerdings bleibt den neuen Freunden auf Dauer nicht verborgen, dass die begabte Sängerin vor ihrem eigentlichen Lebensproblem nicht für immer davonlaufen kann.”

“Partygirl”, “Twentysomethings”, “lässiger Lifestyle”, “schräge Strandhaus-WG”: Das macht neugierig. Sind die acht Folgen à 30 Minuten wirklich so klischeehaft platt? Oder steckt womöglich mehr dahinter? Eine Miniserie mit Tiefgang vielleicht – vor einer Kulisse, die bislang eher von biederen Formaten wie dem ZDF-Traumschiff bespielt wurde? Oder zumindest ein kurzweiliger Mix aus ernsten und komischen Momenten, “Dramedy” eben?

Um es kurz zu machen: Die Charaktere dieser internationalen Koproduktion von SWR, NDR und WDR mit Paradoxal und Both World Production kommen so flach daher wie das Plateau des Tafelbergs, der sich mit der pittoresken Silhouette von Kapstadt immer wieder mal ins Bild schiebt. Davor, im Haus am Strand, wird viel gestöhnt, gefummelt und geknutscht. Die Herrin der schrägen Strandhaus-WG, “die sexpositive Michaela” (O-Ton SWR-Vorankündigung) kann die Finger von Räucherstäbchen und Joints kaum lassen. Derweil ertränken die beiden anderen Mitbewohnerinnen, “das gutherzig-egozentrische Model” Mandisa und Anwältin Cleo, ihre Beziehungskrisen gerne mal in Alkohol.

Wenn es gar zu arg wird, feiern alle im “Smashing Bubbles” bei Barkeeper Tarquin, der die Drinks mit lackierten Nägeln und im Fransenkostüm mixt. Mehr Diversität geht kaum – leider wurde dafür deutlich weniger Aufmerksamkeit auf die Handlung verwendet. Die Männer im Film – mehrheitlich tumbe Idioten – dienen als Staffage für allerlei Abenteuer, die Partygirl Nina und ihre neuen WG-Genossinen erleben. Bald ist zudem klar: Beim “eigentlichen Lebensproblem” von Nina spielt ebenfalls der Alkohol eine tragende Rolle.

Manche der synchronisierten Dialoge werden auf den ein oder anderen Zuschauer aus der Gruppe der Fiftysomethings so wirken, als habe da jemand eine Hörspielkassette aus den 80er-Jahren eingelegt. Passend dazu ist das Festnetz-Telefon in der Strand-WG ein etwas älteres Modell mit Schnur. Immerhin kommen dafür die Macho-Sprüche jetzt von Frauen: “Ich wollte mir die Zeit vertreiben, indem ich mit einem Fremden ficke. Der Date-Aspekt war lediglich ein kleines Detail.” Außerdem gibt es da noch einen DJ der TJ heißt – Wortspiele, so schmerzhaft wie ein schlimmer Kater nach durchzechter Nacht.

“The Morning After” ist laut SWR die erste südafrikanische Koproduktion der 2022 gegründeten Initiative FabFiction von NDR, SWR und WDR. Erklärtes Ziel ist, “das Angebot der ARD durch international koproduzierte Serien zu stärken”. Mit der von der Kritik viel gelobten belgisch-niederländischen Science-Fiction-Serie “Arcadia” fing es an, es folgten unter anderem die australische Dramaserie “The Messenger – Seltsame Botschaften” oder die norwegische Politserie “Powerplay – Smart Girls for President”. An das Niveau dieser Produktionen reicht “The Morning After” bei weitem nicht heran.

Das ist auch deswegen schade, weil mit Amara Okereke als Nina ein echtes Talent verpflichtet wurde. Auch Cleo-Darstellerin Tarryn Wyngaard oder Gaosi Raditholo als Mandisa lassen hier und da erkennen, was tatsächlich in ihnen steckt. Für “The Morning After” allerdings trifft tendenziell eher das zu, was sich Nina in der ersten Folge nach knapp vier Minuten selbst zuraunt: “Das wird die peinlichste Sache, die Du je gemacht hast.”