Arbeitsmarktforscher: „Gap Year“ verzögert Einstieg in den Arbeitsmarkt

Das „Lückenjahr“ zwischen zwei Lebensabschnitten wäre ein Indikator dafür, dass junge Menschen sich unsicher fühlten. Besser seien Pflichtpraktika während der Schulzeit, so ein Arbeitsmarktforscher.

Schüler bei einem Biotechnologie-Praktikum
Schüler bei einem Biotechnologie-PraktikumImago / wolterfoto

Junge Erwachsene sind bei der Berufswahl oft orientierungslos – und die Coronazeit hat das nach Aussage des Direktors des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Bernd Fitzenberger, noch verschärft. „Viele Instrumente zur Berufsfindung in der Schule – wie Praktika oder Schnupperstudium – waren zwei Jahre lang ausgeschaltet“, sagte Fitzenberger in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Diesen Jahrgängen fällt die Entscheidung für den nächsten Schritt schwer.“

Ein Drittel der Abiturientinnen und Abiturienten mache nach den Befunden einer IAB-Befragung nach der Schule ein sogenanntes Gap Year – auf Deutsch ein „Lückenjahr“, also eine Auszeit zwischen zwei Lebensabschnitten. „Das ist nicht neu, hat aber mit der Corona-Pandemie zugenommen“, sagte der IAB-Direktor. Es sei ein Indikator dafür, dass junge Menschen sich unsicher fühlten.

Verzögerter Einstieg in den Arbeitsmarkt

Er halte ein „Gap Year“ nicht grundsätzlich für schlecht. „Für den Einzelnen kann es eine wertvolle Erfahrung sein, aber es verzögert auch den Einstieg in den Arbeitsmarkt.“ Besser sei es für die jungen Leute, über vermehrte Pflichtpraktika und Schnupperstudium-Angebote schon während der Schulzeit Erfahrungen zu sammeln, „sodass sie ein ‚Gap Year‘ vielleicht gar nicht erst brauchen.“—–

Das durchschnittliche Alter der jungen Menschen beim Einstieg in die duale Ausbildung – also Betrieb und Berufsschule – liege mittlerweile bei 20 Jahren. Er erlebe bei den jungen Menschen häufig ein „Sich-Nicht-Festlegen-Wollen“: Man gebe sich eine Auszeit, bleibe doch noch im Schulsystem, mache einen weiteren schulischen Abschluss. Oft falle der Schritt „raus aus dem gewohnten Umfeld“ schwer.

Mehr Akzeptanz für Neuanfang oder Misserfolg

Viele glaubten auch, mit der Berufswahl eine Lebensentscheidung zu treffen, die sich nicht mehr rückgängig machen lasse. Von dieser Mentalität müsste man wegkommen, riet Fitzenberger: „Wenn es eine höhere Akzeptanz für die Korrektur einer Fehlentscheidung oder einen Neuanfang nach einem Misserfolg gäbe, würden die jungen Leute auch einen Ausbildungsabbruch gut hinbekommen.“

Auch die Abbruchquoten an den Universitäten seien hoch – rund ein Drittel aller Bachelor-Studierenden breche das Studium ab. In den USA beispielsweise entschieden die Studierenden erst an der Universität, was sie studieren wollten. „Allerdings berichten mir auch amerikanische Kollegen von einer großen Orientierungslosigkeit, die mit der Pandemie zugenommen hat.“