Appell: FDP soll Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel zustimmen

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir will Kinder besser vor Werbung für ungesunde Lebensmittel schützen. Vielen in der FDP gehen die Pläne zu weit. Jetzt wollen Verbände die Partei umstimmen.

Viele aus der FDP halten nicht viel vom Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel
Viele aus der FDP halten nicht viel vom Werbeverbot für ungesunde LebensmittelImago / BSIP

61 Organisationen aus Wissenschaft, Verbraucher- und Kinderschutz appellieren in einem offenen Brief an die FDP-Führung, das geplante Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel zu unterstützen. Mit ihrer Ablehnung stelle sich die Partei „gegen den einhelligen Konsens in der Wissenschaft und unter Fachorganisationen“, heißt es in dem Schreiben, über das die Süddeutsche Zeitung vorab berichtet hatte. Dies bedeute „eine klare Absage an den Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen“.

Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der AOK-Bundesverband, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Diabetes Gesellschaft, das Deutsche Krebsforschungszentrum, das Deutsche Kinderhilfswerk, foodwatch, die Katholische Erziehergemeinschaft (KEG), der VerbraucherService Bundesverband im Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) und der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Wolfgang Kubicki: „politischer Aktionismus“

In ihrem Appell an FDP-Chef Christian Lindner drücken die Gruppierungen ihre „große Sorge“ über jüngste Äußerungen von FDP-Vertretern aus. Die Partei hat keine offizielle Stellungnahme vorgelegt. Aus ihren Reihen gab es aber immer wieder Kritik an den im Koalitionsvertrag vereinbarten Werbeeinschränkungen für Kinderlebensmittel mit einem hohen Gehalt an Zucker, Fett oder Salz.

Unter anderem hatte FDP-Vize Wolfgang Kubicki das geplante Verbot als „politischen Aktionismus“ bezeichnet. Gero Hocker, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, hatte gesagt, die Liberalen seien bereit, Werbung für gesundheitsschädliche Lebensmittel zu beschränken, die sich direkt an Kinder richte, etwa in Comics oder rund um Kindersendungen. Aber die Pläne von Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) gingen zu weit.

Aus Sicht der Unterzeichner des Briefs würde ein so eingeschränktes Verbot sein Ziel verfehlen. Denn etwa jede dritte TV-Sendung, die Kinder unter 14 Jahren sehen, sei eben keine klassische Kindersendung: „Gerade in der abendlichen Primetime überschüttet die Lebensmittelindustrie Kinder mit Junkfood-Werbung – genau hier müssen die Werbeschranken greifen, sonst ist nichts gewonnen“, so Luise Molling von foodwatch: „Wer das Vorhaben als Bevormundung diskreditiert, vertritt nicht die Mehrheit“.

Verbraucherzentrale: Wichtiger Beitrag zum Kinderschutz

Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ergänzte: „Gesunde Ernährungsumgebungen sind ein wichtiger Beitrag zum Kinderschutz. Dafür muss die Koalition den Weg freimachen.“

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte vor kurzem verpflichtende Werbeverbote zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gefordert. Studien zeigten, dass sich weniger Reklame positiv auf die Essensauswahl von Kindern auswirke.

„Kinder in Deutschland essen mehr als doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen“, schreiben die Organisationen in dem Brief. Etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen seien von Übergewicht und sechs Prozent von Adipositas, einem starken Übergewicht, betroffen.