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Antisemitismus-Vorwurf: Deutsche Welle wehrt sich

Im Streit um Antisemitismus-Vorwürfe weist die Deutsche Welle (DW) Kritik von sich, gibt aber auch Fehler bei ihren sozialen Medien zu. Der Vorsitzende des DW-Rundfunkrats hat eine Forderung.

Die Deutsche Welle wehrt sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe
Die Deutsche Welle wehrt sich gegen Antisemitismus-VorwürfeImago / Horst Galuschka

Der Vorsitzende des Rundfunkrats der Deutschen Welle, Prälat Karl Jüsten (Berlin), verlangt, dass der Auslandssender stärker gegen antisemitische Kommentare seiner Nutzerinnen und Nutzer in den digitalen Plattformen des Rundfunkhauses vorgeht. Er stimme der Forderung von Mitarbeitenden der Deutsche Welle zu, „dass antisemitische Kommentare von Nutzern gelöscht werden müssen“, sagte Jüsten, der zugleich Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe – Katholische Büro in Berlin ist, der Evangelischen Zeitung. Es sei eine Herausforderung nicht nur für die DW, die fehlende Regulierung der Plattformen auszugleichen. „Dafür braucht es ein starkes Community Management. Wir befürworten es, dieses weiter auszubauen“, so Jüsten.

Die Deutsche Welle hat in einer „Stellungnahme zu den Vorwürfen in der Evangelischen Zeitung“ unterdessen Lücken in der Kontrolle der User-Posts eingeräumt und weitere Verbesserungen in Aussicht gestellt. Dass die Kritik sich maßgeblich gegen einzelne Social-Media-Beiträge der DW, etwa auf Instagram richte, sei bedenklich. Richtig sei die Wahrnehmung, dass antisemitische und andere diskriminierende Kommentare „teilweise zu lange unter DW-Posts stehen bleiben“, heißt in der Stellungnahme. „Wir bauen unser Community-Management weiter aus, um – verstärkt auch mithilfe von KI – noch schneller reagieren zu können und die unzureichende Handhabe solcher Kommentare durch die Social-Media-Plattformen auszugleichen.“ Ansonsten weist der Sender den von Mitarbeitenden geäußerten Vorwurf der einseitigen Berichterstattung über den Nahostkonflikt abermals zurück.

Deutsche Welle: Mitarbeitende werfen Sender einseitige Berichterstattung vor

Die „Evangelische Zeitung“ hatte exklusiv über die wachsende Kritik von Mitarbeitern, darunter auch Führungskräfte, am deutschen Auslandssender berichtet. Sie warfen ihrem Arbeitgeber vor, bei der Berichterstattung über den Krieg im Nahen Osten kontinuierlich gegen die journalistischen Standards der Pluralität und Neutralität zu verstoßen und Israel zu dämonisieren. Zudem gebe es eine „Flur antisemitischer Nutzerkommentare zu den DW-Beiträgen“ in den sozialen Netzwerken.

Prälat Karl Jüsten fordert als Vorsitzender des Rundfunkrats der Deutschen Welle eine bessere Kontrolle der digitalen DW-Plattformen
Prälat Karl Jüsten fordert als Vorsitzender des Rundfunkrats der Deutschen Welle eine bessere Kontrolle der digitalen DW-PlattformenImago / Metodi Popow

Die Berichterstattung dieser Zeitung stieß auf erhebliches, auch mediales Echo und wurde von der Jüdischen Allgemeinen übernommen. Auch der Staatsminister für Kultur und Medien, Wolfram Weimer (parteilos), hat sich eingeschaltet und den Sender zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Der Vorsitzende des Rundfunkrates der Deutschen Welle sagte nun der Evangelischen Zeitung, er nehme die von Mitarbeitenden geäußerten Sorgen und Beschwerden „sehr ernst“. Prälat Jüsten: „Ich gehe davon aus, dass die Deutsche Welle den Hinweisen mit der gebotenen Sorgfalt nachgeht.“ Die Aussage von Mitarbeitern, dass die Deutsche Welle keine unterschiedlichen Positionen zeige, sehe er jedoch nicht bestätigt. Damit weist der Rundfunkratsvorsitzende den pauschalen Vorwurf zurück, der Sender berichte einseitig.

Deutsche Welle: Anti-israelische Mitarbeitende bei Jobvergabe bevorzugt?

Wie die Evangelische Zeitung zudem berichtet hatte, sollen bei der Jobvergabe linksgerichtete und antiisraelische Mitarbeiter nach Beobachtungen von Mitarbeitern angeblich bevorzugt worden sein. Sowohl der Rundfunkratsvorsitzende als auch eine Sprecherin der Deutschen Welle weisen diesen Verdacht weit von sich. „Die Aussagen zur angeblichen politischen Ausrichtung von Mitarbeitenden entbehren einer belastbaren Grundlage“, erklärte Prälat Jüsten. Eine Sprecherin des Senders betonte: „Dass die DW in Bewerbungsprozessen ‚linksgerichtete und antiisraelische Mitarbeiter‘ bevorzuge, ist eine schwerwiegende Unterstellung, die nicht der Wahrheit entspricht. In einem wertebasierten Bewerbungsprozess wird in jedem einzelnen Gespräch sichergestellt, dass sich Bewerberinnen und Bewerber gegen Antisemitismus und jede weitere Form von Diskriminierung positionieren.“

Der Rundfunkrat erkennt es nach Ansicht von Prälat Jüsten an, dass die Deutsche Welle in den vergangenen Jahren umfangreiche Maßnahmen ergriffen habe, um Antisemitismus vorzubeugen. Es gebe inzwischen senderintern verschiedene Anlaufstellen, an die sich Mitarbeitende wenden können, um Verstöße gegen die Werte der DW zu melden. Rundfunkratsvorsitzender Jüsten fordert die Mitarbeitenden auf, diese Anlaufstellen zu nutzen, „damit Sorgen und eventuelle Verstöße gegen Vorschriften der DW umgehend hausintern geprüft werden können und so sichergestellt wird, dass die journalistischen Standards eingehalten werden“.

Antisemitismus-Vorwurf: Jüdischer Journalismusverband fordert Aufklärung

Der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten vertritt die Ansicht, eine internes Kontrollverfahren genüge nicht. Die Organisation hat der Jüdischen Allgemeinen zufolge den Sender aufgefordert, die jüngsten Vorwürfe zur Israel-Berichterstattung umfassend aufzuklären. Die Chefredaktion und die Intendanz müssten dabei auch unabhängige externe Expertise einbeziehen, teilte der Verband mit. Mitarbeiter des Auslandssenders sollten die Möglichkeit erhalten, gegenüber neutralen Personen ihre Eindrücke zu Bewerbungsverfahren, Themenauswahl und der redaktionellen Behandlung Nahost-bezogener Inhalte zu schildern.

Die Erklärung der Deutschen Welle im Wortlaut finden Sie hier.