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“Antipersonen-Minen verteidigen keine Grenzen”

Anlässlich des Tages zur Aufklärung über die Minengefahr am Freitag warnt die Hilfsorganisation Handicap International (München) vor der Erosion von Abrüstungsverträgen. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland, warum die Abkommen zum Verbot von Landminen und Streumunition zunehmend unter Druck geraten.

epd: Sie beklagen die Schwächung der Verträge für ein Verbot von Landminen und Streumunition. Wer ist verantwortlich für diesen Trend?

Eva Maria Fischer: Zunächst vor allem diejenigen Länder, die diese Waffen wieder massiv einsetzen und auch produzieren. Das waren bei Antipersonen-Minen in den letzten Jahren vor allem Myanmar und Russland. Leider erhält auch die Ukraine nun diese Minen aus den USA, um sie im aktuellen Konflikt einzusetzen. Durch den Vertrag über ein Verbot von Antipersonen-Minen war die Stigmatisierung dieser Waffen auch für die meisten Staaten, die das Abkommen nicht unterzeichnet hatten, zum Standard geworden.

Nun hat die aktuelle Debatte in osteuropäischen Staaten um die Sicherung ihrer Ostgrenzen das Tor geöffnet, in kürzester Zeit diesen mühsam errungenen und bis heute von 165 Staaten unterzeichneten Standard infrage zu stellen. Als Litauen vor einem halben Jahr beschloss, aus dem Übereinkommen über Streumunition auszutreten, befürchteten wir bereits den Präzedenzfall, der damit geschaffen würde. Und jetzt müssen wir schockiert beobachten, wie schnell und fahrlässig einige Regierungen auch das Antipersonenminen-Verbot infrage stellen, den älteren der beiden Verträge.

epd: Führt die Erosion der Verbote zu einer weiteren Verrohung der Kriegsführung, unter der vor allem Zivilisten zu leiden haben?

Fischer: Ich fürchte, ja. Es wird momentan gerne mit einer Ausnahmesituation argumentiert. Doch das Minenverbotsübereinkommen sieht keine Ausnahmen vor. Es wurde als unmittelbare Reaktion auf das jahrzehntelange Leid durch Minen in nationalen und internationalen bewaffneten Konflikten entwickelt. Antipersonen-Minen verteidigen keine Grenzen, sie machen sie zu Todesfallen. Sie schützen die Bevölkerung nicht, sondern gefährden sie über Generationen hinweg. Und sie können auch die eigenen Streitkräfte in Gefahr bringen.

epd: Was kann die Bundesrepublik tun, um die Abkommen zu stärken?

Fischer: Die deutsche Regierung gehört seit vielen Jahren zu den aktivsten Vertragsstaaten und gleichzeitig zu den wichtigsten Unterstützern für die Umsetzung – durch Monitoring, Minenräumung oder Opferhilfe. Deshalb schauen die anderen Vertragsstaaten aufmerksam auf die deutsche Haltung.

Unserer Ansicht nach muss sich die neue Bundesregierung klar positionieren – gegen alle Einsätze von Minen durch alle Akteure und gegen Austrittspläne. Sehr überzeugend hat bereits der Außenminister von Norwegen – einem Land, das eine Grenze zu Russland hat – öffentlich klargestellt: Minen haben keinen Platz mehr in der modernen Verteidigung eines Landes. Er machte deutlich, dass Abrüstungsverträge nicht für Friedenszeiten, sondern eben gerade für Konfliktzeiten wie heute beschlossen wurden. Es wäre schön, auch aus Deutschland öffentlich solche klaren Worte zu hören. (1149/02.04.2025)