Angst vor dem Zeugnis: Was der Experte rät
Die Ferien und mit ihnen die Zeugnisse stehen vor der Tür. Manche Kinder haben Angst vor der Notenvergabe, auch Eltern sorgen sich. Ein Psychologe gibt Tipps.
Eine Fünf in Mathe, eine Vier in Deutsch: Hunderttausende Schülerinnen und Schüler bekommen bundesweit in diesen Tagen ihre Zeugnisse. Bei vielen Kindern und Jugendlichen löst allein die Vorstellung schon Unbehagen aus. Neben der eigenen Unzufriedenheit über die Bewertung kommt die Sorge hinzu, von den Eltern Ärger zu bekommen – oder sie enttäuscht zu haben.
Nach Angaben der Kinder- und Jugendberatung „Nummer gegen Kummer“ drehten sich im vergangenen Jahr am Kinder- und Jugendtelefon fast 13 Prozent der Beratungsgespräche und mehr als 15 Prozent in der Online-Beratung um das Thema Schule und Beruf; häufig ging es um Schul- oder Zeugnisnoten. Ein Drittel war dabei demnach von Überforderung oder Leistungsdruck betroffen.
Etwas Schönes unternehmen
Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologen empfiehlt Eltern und Kinder, am Tag der Vergabe gemeinsam etwas Schönes zu unternehmen – ob gutes oder schlechtes Zeugnis. „Egal wie das Zeugnis ausgefallen ist, sollten Eltern ihrem Kind an diesem Tag besondere Zuwendung geben – allerdings nicht in Form eines großen Geschenks, sondern durch Zeit“, sagt Seifried. „Wer Kinder hat, sollte sich auch um sie kümmern.“
Zunächst sei es wichtig, die guten Leistungen zu betonen, in welchem Fach auch immer. „Es ist wichtig, Schwächen zu akzeptieren und auf die Stärken zu achten. Das schafft Selbstvertrauen.“ Dabei sei die Leistung bei jedem Kind unterschiedlich zu bewerten. „Ist mein Kind eine faule Socke oder hat es sich angestrengt? Ein Zeugnis mit Dreien und Vieren kann – je nachdem – eine riesige Leistung sein“, betont Seifried.
Liegt es dagegen am mangelnden Interesse, dass die Noten ausbaufähig sind, empfiehlt er, einen Arbeitsplan aufzustellen – etwa täglich eine halbe Stunde Vokabeln zu lernen. „Der sollte aber realistisch sein und das Kind nicht überfordern.“ Und es gelte, den Ursachen der Lernschwierigkeiten auf den Grund zu gehen: Wie ist das Verhältnis zum Lehrer? Gibt es ein Problem mit den Mitschülern? Hat das Kind Liebeskummer? Schläft es zu wenig?
Regelmäßig über Schule sprechen
Vor allem müssten Eltern regelmäßig den Kontakt zur Schule halten – und nicht erst, wenn es Zeugnisse gibt, empfiehlt der Berliner Schulpsychologe: „Im Idealfall formulieren Eltern und Lehrkräfte gemeinsam die Erziehungsziele.“ Das heißt, dass man nicht erst den Kontakt zum Lehrer sucht, wenn es ein Problem gibt – sondern vorher.
„Eltern sollten im besten Fall nicht nur zum Elternsprechtag gehen, wo der Lehrer meistens nur zehn Minuten Zeit für jedes Gespräch hat, sondern auch ansonsten die Sprechstunde nutzen oder den Lehrer mal anrufen“, so Seifried. Außerdem sollte man auch zu Hause regelmäßig über die Schule sprechen, sein Kind fragen, wie der Tag so war, was schön war und was nicht gut geklappt hat.
Eigene Erwartungen
Wichtig sei auch, dass Eltern nicht ihre eigenen Erwartungen übertragen, sondern die Interessen von Sohn oder Tochter berücksichtigen – die können unter Umständen ganz anders sein als die eigenen. Das muss man akzeptieren. „Es gibt Eltern, die Musiker sind, aber völlig unmusikalische Kinder haben“, sagt Seifried.
Wer frühzeitig altersgemäße Verantwortung und Pflichten übernehme, dem falle es auch leichter, etwas für die Schule zu tun, erklärt der Experte. Es tue Kindern nicht gut, wenn sie zu sehr verwöhnt würden – wenn man zum Beispiel sein Zimmer nicht aufräumen muss, weil ja sowieso die Putzfrau kommt.
Wie Kinder Misserfolge verarbeiten
Dagegen steige die Anstrengungsbereitschaft, wenn man Kinder bereits im Kindergarten zur Selbstständigkeit anhalte – etwa, dass der Nachwuchs früh lernt, seine Spielsachen aufzuräumen. Wenn Kinder älter werden, sollten sie auch im Haushalt kleine Pflichten übernehmen. „Jugendliche können zum Beispiel regelmäßig für die Familie einkaufen.“
Eltern müssten ihren Kindern auch dabei helfen, Frustrationstoleranz zu entwickeln, betont Seifried. „Jeder erlebt in seinem Leben Misserfolge und Kränkungen. Man muss lernen, damit umzugehen.“