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Seit 70 Jahren hat ein Verband aus Niedersachsen nur ein Thema: Bücher. Damit will er das Evangelische zu den Menschen bringen.

Fast hinter einem Bücherplakat verschwunden: Maike Linne (li.), Marie Varela (re. oben) und Wiebke Mandalka (re. unten)
Fast hinter einem Bücherplakat verschwunden: Maike Linne (li.), Marie Varela (re. oben) und Wiebke Mandalka (re. unten)Eliport

Göttingen. Das Alphabet reicht von „A“ wie „Anderssein“ über „B“ wie „Bewahrung der Schöpfung“ bis „W“ wie Werte.“ Hinter diesen Stichworten verbergen sich Literaturlisten. Und diese Literaturlisten werden erstellt vom Evangelischen Literaturportal.

Als das Portal vor 70 Jahren gegründet wurde, hieß es noch „Deutscher Verband Evangelischer Büchereien“. 2008 bekam dieser mit einem Internetauftritt auch einen neuen Namen: „Evangelisches Literaturportal – Verband für Büchereiarbeit und Leseförderung.“ Seit 1979 vergibt der Verband jährlich am Mittwoch vor Pfingsten den Evangelischen Buchpreis. In diesem Jahr erhält die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung Nikola Huppertz für ihr Jugendbuch „Schön wie die Acht“.

Mehr als 100 Vorschläge eingegangen

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Der Evangelische Buchpreis ist ein Publikumspreis. 124 Vorschläge sind im Göttinger Büro dafür eingegangen: Jugendbücher, Sachbücher, Romane, Kinderbücher hat die siebenköpfige Jury dafür lesen. „Gesucht werden Bücher, die dazu anregen über uns selbst, unser Miteinander und unser Leben mit Gott neu nachzudenken“, so Ralf Meister über die Würdigung. Der Landesbischof der Landeskirche Hannovers ist Vorsitzender des Literaturportals.

„Wir sind an der Schnittstelle zwischen Kultur- und Wertevermittlung“, sagt Marie Varela. Sie arbeitet in der Geschäftsstelle des Vereins in Göttingen. Zu sechst sind sie hier, es gibt zwei Hunde in Teilzeit, eine Teeküche, knarzenden Dielenboden und jede Menge Bücherstapel. Bücher, die an die etwa 120 Freiwilligen geschickt werden, die sie zur Rezension lesen. Regelmäßig gibt das Literaturportal Themenhefte heraus, die Rezensionszeitschrift „Der Evangelische Buchberater“ versendet Newsletter an Büchereien, Kitas, Kirchengemeinden, dazu kommt ein Hörbuch-Newsletter und ein „Schau-mal-Newsletter“ über Bilderbücher mit Themen über den „Kinderalltag“ oder das Kirchenjahr“. Zudem ist der Evangelische Literaturportal der Dachverband der evangelischen öffentlichen Büchereien in Kirchengemeinden und Krankenhäusern. Etwa 800 sind es heute in Deutschland. Überwiegend werden diese ehrenamtlich geleitet.

„Wir empfehlen gute Bücher. Ein gutes Buch zeichnet für mich aus, dass darin existentielle Themen aufgegriffen werden, wie ja auch in der Bibel die ganze Bandbreite menschlicher Grunderfahrungen verhandelt wird“, sagt Wiebke Mandalka, Geschäftsführerin des Literaturportals. Als „Freude“, aber auch als „Kunst“ bezeichnet sie es, Literatur und Bibel in den Dialog zu bringen. Dafür erarbeitet der Verein auch Literaturgottesdienste.

Junge Familien im Fokus

„Wir versuchen besonders an junge Familien heranzutreten“, erklärt Marie Varela. „Denn was in den Familien gelebt wird, das bleibt.“ Sie beobachtet, dass viele Familien „etwas weitergeben“ wollten aus der Kirche. „Sie fragen: ‚Wie funktioniert das? Muss ich in den Gottesdienst gehen? Wie komme ich ins Gespräch über Gott und die Welt?‘“. Antworten gibt das Literaturportal durch die Angebote „Willkommen in Gottes Welt“ und „Lesen in Gottes Welt“. Ersteres ist ein Bilderbuch im liebevoll gestalteter Stoffbeutel zur Taufe, zweiteres eine Schultüte, gefüllt mit einem Erstlesebuch.


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Aber warum gehört zur Evangelischen Kirche ein derartiger Verein? „Das Christentum ist eine Religion des Wortes. Die Bibel ist Weltliteratur. In ihr angelegt sind bereits viele literarische Gattungen vom Krimi bis zur Liebeslyrik. Wie die Bibel öffnet Literatur Gedankenräume. Sie kann sehr glücklich machen, aber auch ordentlich Sprengstoff enthalten, lädt ein zum Perspektivwechsel, zum Nachdenken über die Frage, wie man selbst in dieser Welt steht“, sagt Wiebke Mandalka. „Das sind alles Fragen, die wir auch in der Bibel finden: Warum gibt es Ungerechtigkeit auf der Welt? Wie viel Eigenverantwortung erwartet Gott von mir?“

Die Worte der Bibel hätten eine besondere, lang wirkende Kraft. „Man muss sich ihr öffnen.“ Literatur sei ein „Türöffner“ und „Brückenbauer“ zur Bibel. Zwischen „A“ wie Anderssein und „W“ wie Werte“ stehen Schlagworte wie „Generationen“, „Interkulturalität“ und „Religionen“ – und vielfältige Bücherlisten.