Anarchistin mit eigenem Kopf

Mit „würgenden Glyzinien“ und „übergriffigen Monstermelissen“ kennt sie sich aus. Und den Giersch dürfe man im Garten nicht mal beim Namen nennen, heißt es in ihren „Neuen Gartengeschichten“ (2021). Unverkennbar: Die Schriftstellerin Eva Demski, die am 12. Mai 80 Jahre alt wird, stellt sich den Herausforderungen, in ihrem Garten wie im Leben.

Sie hat Romane, Erzählungen, Essays, Reisebücher und Erinnerungen verfasst, mit einer Passage aus dem Manuskript ihres zweiten Romans „Karneval“ gewann sie 1981 den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Vor zwei Jahren ist sie mit „Mein anarchistisches Album“ zurückgekehrt in ihre frühen Jahre, als sie noch dem russischen Revolutionär und Anarchisten Michail Bakunin gehuldigt und von einem herrschaftsfreien Leben geträumt hatte.

Von allen ihren Büchern ist ihr dieses am liebsten. Ist sie eine Anarchistin? „Ich war nie etwas anderes“, entgegnet sie am Telefon: „So wäre die Welt besser.“ Mit Anarchie? Sie empfiehlt: „Lesen Sie das Buch.“ Dort steht, es gehe „um Menschen, die über Wege zur Freiheit nachdachten und -denken“. Eva Demski tut das heute noch. Sie hat sich nie geduckt.

Geboren wurde Eva Küfner 1944 als Tochter eines Bühnenbildners in Regensburg, wuchs dort sowie in Wiesbaden und Frankfurt am Main auf, wo sie das humanistische Lessing-Gymnasium besuchte. Dass sie die altgriechische Sprache beherrscht, hat sie 1995 in ihrem Lesbos-Reisebuch („Das Meer hört zu mit tausend Ohren“) bewiesen: Die eingeflochtenen Gedichte von Sappho, der ersten europäischen Lyrikerin, hat sie selbst übersetzt: „Ich hatte Spaß an der Sprache.“

Sie hat Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert, an den Städtischen Bühnen Frankfurt als Dramaturgie-Assistentin gearbeitet, war freie Lektorin und Übersetzerin. 1967 heiratete sie den Anwalt Reiner Demski, wirkte als Journalistin beim Hessischen Rundfunk an der Kultursendung „Titel, Thesen, Temperamente“ mit.

Der Tod ihres Mannes 1974, von dem sie damals schon seit drei Jahren getrennt war, veränderte ihr Leben. Je mehr sie sich mit seinem Leben befasste, desto fremder wurde er ihr. Weil Reiner Demski unter anderen die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin verteidigt hatte, geriet auch Eva Demski ins Visier der Ermittler, wurde der RAF-Mitwisserschaft verdächtigt. Was sie damals erlebte und wie sie damit umging, ist in ihrem Roman „Scheintod“ zu lesen, der 1984 im Münchner Hanser Verlag erschien.

Aus der Journalistin war schon Ende der 1970er eine Schriftstellerin geworden, als sie ihren ersten Roman unter dem Titel „Goldkind“ bei Luchterhand veröffentlichte: die Geschichte eines kleinen Narziss, der im Nachkriegsdeutschland aufwächst. 1981 erschien „Karneval“, ein Buch über ein Mädchen und seine Erzieherin, die mit der geschäftstüchtigen, geldversessenen Nachkriegsgesellschaft nicht zurechtkommt.

Eva Demski wurde Stadtschreiberin von Bergen, 1990 erhielt sie die Goetheplakette der Stadt Frankfurt. „Wir sind stolz und glücklich, dass Eva Demski seit Jahrzehnten in Frankfurt lebt und arbeitet“, erklärt die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig, die zugleich eine erfahrene Literaturkritikerin ist. „Mit ihrem scharfen Verstand, ihrem untrüglichen Urteilsvermögen und ihrem Witz verkörpert sie den Frankfurter Geist.“

Von der Kritik besonders geschätzt wurde der Roman „Afra“ (1992), der die Geschichte eines ungewollten Kindes einer Bäuerin und eines schwarzen GIs erzählt: von der Außenseiterin in der Nachkriegszeit zur Edelprostituierten. Noch im selben Jahr erschien Demskis „Katzenbuch“ über ihre vierbeinigen Lebensbegleiter: „Keine soll vergessen sein, keine glich der anderen.“

Seit 1977 lebt die Autorin in Frankfurt, jahrelang auch in der Nachbarschaft des 2013 gestorbenen Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki und dessen Frau Tosia, mit denen sie befreundet war. Unvergessen ist, wie sie 1987 dem damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann den Händedruck verweigerte, weil er die zufällig entdeckten Reste des historischen Frankfurter Judenghettos von den Stadtwerken überbauen lassen wollte. Heute ist das „Museum Judengasse“ ins Haus der Stadtwerke integriert.

Als Mitgesellschafterin und Autorin war Demski 1993 bei Schöffling & Co. ein- und einige Jahre später wieder ausgestiegen. Ihre jüngsten Bücher hat sie im Insel Verlag publiziert, darunter ihre Erinnerungen unter dem Titel „Den Koffer trage ich selber“ (2017). Unsentimental und nüchtern wie in ihren Romanen geht sie darin auch mit sich selbst um. Für den September kündigt sie ein Buch über „Sprechende Gegenstände“ an, illustriert von Nicholas Mahler: „Das kann dann jeder für sich weiterschreiben.“ (00/1409/05.05.2024)