Analyse: Mangel an Auszubildenden liegt nicht an Boom des Studiums

Der Mangel an Auszubildenden ist nach Erhebungen der Bertelsmann Stiftung nicht allein mit einer wachsenden Beliebtheit des Hochschulstudiums zu begründen. Ein Vergleich der Anfängerzahlen zeige vielmehr, dass der demografische Rückgang sowohl die berufliche als auch die akademische Bildung betreffe, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Donnerstag in Gütersloh bei der Vorstellung einer Analyse zur nachschulischen Bildung. Die Stiftung warnte davor, dass junge Menschen aufgrund Fehlinformationen zu Ausbildung und Studium möglicherweise für sie unpassende Bildungswege einschlagen.

Die Zahl der neuen Auszubildenden ist den Angaben zufolge zwischen 2011 und 2021 von 733.000 auf 660.000 gesunken. Doch gleiches gilt auch für die Studienbeginner. Ihre Zahl ist nach wie vor niedriger als die der Auszubildenden und ging im gleichen Zeitraum von 519.000 auf 470.000 zurück. Hinzu komme, dass keine der drei Berufsgruppen mit dem höchsten Anteil an unbesetzten Lehrstellen in direkter Konkurrenz zu einem akademischen Studienangebot stehe: Klempner, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk und Fleischer.

Für die jungen Menschen bedeuteten Fehlentscheidungen bei Studium und Ausbildung verpasste Chancen, großen Frust und das „Gefühl, Lebenszeit und Energie vergeudet zu haben“, sagte die Berufsbildungsexpertin der Bertelsmann Stiftung, Caroline Schnelle. Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung widersprach der Annahme, nach der Entscheidung zwischen Studium und Ausbildung stehe der weitere berufliche Weg „endgültig fest“. Zunehmend gebe es „Übergänge in beiden Richtungen“, erklärte er.

Weit verbreitet sei auch die Behauptung, dass nur Akademikerinnen und Akademiker „richtig gut“ verdienen, hieß es weiter. Statistisch betrachtet verdienten Beschäftigte mit Studienabschluss zwar mehr als jemand mit Berufsausbildung – jedoch nicht mehr als Erwerbstätige mit Fachschulabschluss, ein Meister oder eine Technikerin. Ein Mythos sei es auch, dass inzwischen fast alle Schüler Abitur machten. Der Anteil mit Abitur oder Fachabitur liegt laut der Analyse bei knapp 50 Prozent und verändert sich seit zehn Jahren kaum.

Der gemeinsame Faktencheck der Bertelsmann Stiftung und des CHE Centrums für Hochschulentwicklung beruht nach eigenen Angaben auf Daten unter anderem aus der Bildungsberichterstattung, des Statistischen Bundesamtes sowie der Bundesagentur für Arbeit.