Amazons Ambitionen

Prime Video hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Der Streamingdienst von Amazon will bei Sportübertragungen die Nummer eins werden. „Unser Bestreben besteht darin, Prime Video zur führenden Anlaufstelle für Sportinhalte in Deutschland zu entwickeln“, sagte Deutschland-Chef Christoph Schneider im vergangenen Herbst. Ein Hinweis darauf, dass die Spiele der Fußball-Bundesliga bald im Streaming-Angebot des Mega-Konzerns gezeigt werden könnten?

Aufschluss wird die Auktion für die Bundesliga-Rechte ab der Saison 2025/2026 geben, die in der kommenden Woche startet. Die Deutsche Fußball Liga (DFL), die den geplanten Einstieg eines Großinvestors kürzlich abblies, hofft auf eine erkleckliche Summe. Derzeit erlöst sie mit den Inlands-Medienrechten rund 1,1 Milliarden Euro pro Jahr.

Amazon gibt sich mit Blick auf seine Bundesliga-Ambitionen zwar bedeckt und will auf epd-Anfrage dazu „keine Ankündigung“ machen. Fachleute halten es aber für wahrscheinlich, dass Prime Video um die Live-Rechte für Pay-TV mitbieten wird. Die teilen sich momentan noch Sky und DAZN.

Derzeit ist das Sport-Engagement von Prime Video in Deutschland überschaubar: Live gezeigt wird das Top-Spiel der Champions League am Dienstagabend. Außerdem hat sich der Streamingdienst die Rechte für das Tennisturnier von Wimbledon ab diesem Jahr gesichert.

In den USA hingegen tritt Amazon bereits stärker mit Sport in Erscheinung. „Das Unternehmen hat vor allem auf dem US-Markt eine fünf- bis zehnjährige Experimentierphase hinter sich“, sagt der Medienwissenschaftler Christoph Bertling von der Deutschen Sporthochschule Köln. Jetzt habe Amazon ausreichend Erfahrung, auch hierzulande stärker einzusteigen.

Bertling verweist insbesondere auf die digitale Schlagkraft des Online-Versandhändlers. Bereits jetzt arbeitet die DFL mit dem Amazon-Cloud-Dienst AWS zusammen, etwa bei der Daten-Vermessung mithilfe künstlicher Intelligenz. „Mit AWS lässt sich während der Live-Übertragung zum Beispiel die Schussgeschwindigkeit ermitteln“, erläutert der Wissenschaftler. Solche Anwendungsmöglichkeiten erleichterten die DFL-Vermarktung. „Es liegt nahe, dass Prime Video, das selbst die AWS-Infrastruktur nutzt, bei dieser Vermarktung eine wichtige Rolle spielen könnte.“

Von Konkurrenten unterscheidet sich Amazon nicht nur durch digitalen Vorsprung, sondern auch durch das Geschäftsmodell. „Amazon ist kein Medienunternehmen, sondern ein Versandunternehmen“, erklärt Bertling. Mit Sportübertragungen verfolge der Konzern bisher eine „Rammbock“-Strategie: „Es geht darum, Kunden auf die Versandplattform zu holen.“

Prime bietet neben Streaming vor allem den priorisierten Versand von Produkten. Das Abo kostet im Monat rund neun Euro. Für Sportübertragungen fallen keine Zusatzkosten an – jedenfalls bislang.

Sky und DAZN setzen dagegen vor allem auf Abo- und Werbeeinnahmen. „Die Ausgaben für die Bundesligarechte bekommen die Sender dadurch aber nicht refinanziert“, sagt der Sportökonom Marcel Fahrner von der Universität Tübingen. DAZN versuche deshalb auch, über einen auf der Plattform integrierten Merchandise-Shop und Sportwettenangebote Erlöse zu erzielen. Die Fußball-Übertragungen dienten vor allem der Markenbildung.

Neu bei der aktuellen Ausschreibung der Bundesliga-Rechte ist der Wegfall der sogenannten No-Single-Buyer-Rule. Damit ist es wieder möglich, dass ein Sender alle Live-Rechte für Pay-TV erwirbt. „Zugleich werden nun aber auch Sublizenzierungen erleichtert“, erklärt Fahrner. Es sei also denkbar, dass ein finanzstarkes Unternehmen wie Amazon alle Rechte erwirbt, einen Teil davon aber an Sublizenznehmer weitergebe.

Amazon macht auf epd-Anfrage klar, dass es nicht zwingend selbst Übertragungsrechte erwerben muss, um zur „führenden Anlaufstelle“ für Sport zu werden. Beispielsweise könnten bereits jetzt in der Prime-Video-App externe Angebote wie DAZN abonniert werden. Gemeinsam mit der exklusiven Live-Übertragung am Dienstag werde damit innerhalb der App der gesamte Champions-League-Wettbewerb abgebildet und eine Anlaufstelle für Sport geboten. Diese Aussage stehe allerdings „in keinem Zusammenhang mit der bevorstehenden Vergabe der Bundesliga-Übertragungsrechte“, unterstreicht das Unternehmen.