Alter Gruß des Baumeisters entdeckt

In einer Kirche auf Rügen haben Restauratoren zufällig eine Entdeckung gemacht: ein Selbstporträt und ein Gruß des Baumeisters aus dem 15. Jahrhundert.

Per Zufall sind Restauratoren auf die Pinselzeichnung aus dem 15. Jahrhundert gestoßen
Per Zufall sind Restauratoren auf die Pinselzeichnung aus dem 15. Jahrhundert gestoßenPeter Wagner

Lancken-Granitz. Auf Latein hat er seine Grüße an die Kirchenwand gepinselt, dazu ein comicartiges Selbstporträt: „Meister Nikolaus“, der im 15. Jahrhundert in der Kirche Lancken-Granitz auf Rügen arbeitete, vielleicht als Maurer und Maler, vielleicht ausschließlich als Maler der Gewölbeverzierungen in der Kirche. „Im Jahr des Herrn 1455 am Tag vor … und ewige Jungfrau (…) wurde dieses Werk pflichtschuldig vollendet durch den Meister Nikolaus (…) und seinen Gehilfen“ – soviel ist von seinem Gruß bisher zu entziffern. Die Restauratoren Peter und Kerstin Wagner aus Rubenow bei Anklam haben die Bauinschrift im Sommer entdeckt: ganz zufällig, als sie dabei waren, die Risse im Gewölbe über der Orgel zu restaurieren, im Zuge größerer Sanierungen. Putz platzte ab, Schrift tauchte auf, leicht und schnell ließen sich weitere Teile freilegen und sichern. „Sowas macht Spaß“, sagt Peter Wagner. „Die Schrift ist so gekonnt gemalt, locker aus dem Handgelenk.“ Und die Zeichnung wirkt, als würde Meister Nikolaus in die Kirche blicken und die Nachwelt anlächeln. „Ganz selbstbewusst!“ 
Auch Kirchenarchitekt Jens Christian Holst, der seit vielen Jahren mit Kirchensanierungen im Norden zu tun hat, findet den Fund spannend. „So eine Bauinschrift, am Schluss mit dem Pinsel aufgetragen, ist sehr selten“, sagt er, „oder jedenfalls selten erhalten geblieben. Ich habe sowas mal in einer Kirche in Brandenburg an der Havel entdeckt, von 1480, aber da war es nicht mehr leserlich.“ 

Inschrift in Kalk gemeißelt

Dass Baumeister überhaupt eine Notiz am Kirchengemäuer hinterließen, war Standard im Mittelalter. „Meist handelt es sich um Inschriften, die zu Baubeginn in Kalkstein eingemeißelt und unten in der Kirche eingemauert wurden“, erklärt Holst. Aufgebaut seien sie typischerweise so: „Am soundsovielten Kalendertag, dem Tag des Heiligen soundso, wurde der Grundstein gelegt“ oder: „wurde mit dem Bau begonnen.“ Beispiele dafür gebe es etwa in der Nikolai- und der Jakobikirche Stralsund sowie in der Marienkirche Lübeck.
Viele in Backstein eingeritzte Inschriften sind laut Holst auch noch in den Kirchen des Nordens zu finden, etwa im Kloster Rühn oder im Domkloster Ratzeburg. In letzterem hätten die Bauleute im 13. Jahrhundert gleich drei intessante Notizen hinterlassen. „Die älteste sagt, dass es einen Bischof gab, der jährlich 100 Mark für den Bau der Ratzeburger Kirche gab.“ Eine Menge Geld in der damaligen Zeit, weiß Holst.
Was „Meister Nikolaus“ in Lancken-Granitz der Nachwelt mitzuteilen plante, wollen Peter und Kerstin Wagner nun noch weiter untersuchen lassen: Sie haben die Inschriften-Expertin Christine Margin von der Universität Greifswald eingeschaltet. „Vielleicht erkennt sie noch mehr.“

Kirchenführer wird überarbeitet

Gemeindepastorin Christel Handt ist derweil glücklich, dass die Sanierung der Kirche so erfolgreich weiter ging. Seit dem Frühjahr hat die Gemeinde das Gewölbe im Kirchenschiff restaurieren, Rissbildungen stoppen und vorhandene Risse schließen lassen, berichtet sie. Bei den Fenstern wurden Scheiben ersetzt und die vorhandenen neu bleiverglast, alles mit Unterstützung von Stiftungen. Im Vorjahr das gleiche im Altarraum. So konnten die Lancken-Granitzer kürzlich ihre Kirche wieder in Betrieb nehmen. „Das war ein sehr schöner Festgottesdienst.“
Im nächsten Jahr soll noch das Feuchtigkeitsproblem im Fußbodenbereich der Nordwand und der Sakristei behoben und eine Belüftungstechnik in die Fenster eingebaut werden. Das Kirchenführerheft will die Gemeinde dann auch überarbeiten – unter anderem, um auf den Gruß von Meister Nikolaus aufmerksam zu machen.