Alte Zeitungen vorm Zerfall gerettet
Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) fördert die Massenentsäuerung alter Regionalzeitungen an der Universität Greifswald mit 10.000 Euro. Damit soll laut KEK national bedeutsames Kulturgut geschützt werden. Die Pommerschen Zeitungsbestände der Universitätsbibliothek Greifswald seien die am besten erhaltenen und vollständigsten der ehemaligen Provinz Pommern. Durch die Entsäuerungsmaßnahmen soll der Zerfall des Zeitungspapiers aufgehalten werden. „Gerade wurden die letzten Zeitungen zur Entsäuerung gebracht“, sagt Bruno Blüggel, Leiter Digitalisierung an der Unibibliothek, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er schätzt, dass die Sammlung über eine Million historische Zeitungsseiten umfasst.
Die Sammlung geht auf preußische Bestimmungen für Verlagsveröffentlichungen wie Bücher und Zeitungen zurück. Demnach musste von 1815 bis 1945 ein Pflichtexemplar an die Universitätsbibliothek geschickt werden. „Es ist ein Riesenschatz für Historiker“, freut sich Blüggel. Doch besonders die Ausgaben nach 1850 seien in einem sehr schlechten Zustand, in manchen Fällen sei es bereits „5 nach 12“. Der Grund: Durch neue Massendruckverfahren wurde holzhaltiges, eher minderwertiges Papier verwendet. „Zeitungen waren ja nicht für die Ewigkeit gedacht“, sagt der Historiker.
Die Hauptursache des Papierzerfalls sind chemische Abbauprozesse der verwendeten Cellulose. Die Folge sind eine zunehmende Vergilbung und immer spröder werdendes Papier. Nicht alle Zeitungen der Alten Bibliothek sind zu retten. Blüggel: „Wenn ich manche Seiten umblättern würde, zerfallen sie danach.“ Dieser Säurefraß betrifft sämtliche Bestände an Archivalien, Büchern und Zeitungen, die auf holzhaltigem Papier gedruckt wurden. Das sei vor allem Papier, was zwischen 1850 und 1980 verwendet wurde.
Nur durch eine Entsäuerungsbehandlung könne der Zerfall gestoppt werden, bei der durch ein Lösungsmittel das Papier neutralisiert und eine alkalische Reserve angelegt wird. „Damit gewinnen wir vielleicht 30 Jahre“, weiß Blüggel. Nach der Entsäuerung steht in einem zweiten Schritt die Digitalisierung an. Ein sehr aufwändiges und teures Verfahren, berichtet Blüggel. Für das Scannen rechnet er mit Gesamtkosten von etwa 80 Cent pro Seite. „Die Hälfte der Zeitungsseiten sind bereits eingescannt und so für die Zukunft gerettet“, sagt Blüggel.
Das Interesse von Historikern und Studierenden an der Sammlung ist groß. Kein Wunder: Die Zeitungslandschaft war vielfältig und bunt, allein in Greifswald gab es um 1900 drei verschiedene Tageszeitungen, auch Orte wie Wolgast hatten ihre Zeitung. Insgesamt zählt die Pommern-Sammlung rund 100 verschiedene Zeitungen, Extrablätter, Beilagen oder Sonntagszeitungen. „Bis 1850 waren die Zeitungen eher amtliche Bekanntmachungen. Da ging es darum, wann die nächste Postkutsche nach Stralsund fuhr oder um wieviel Uhr die Straßenlaternen angemacht wurden.“ In den folgenden Jahren wurden sie durch redaktionelle Teile ergänzt. „Darin konnten Händler nachlesen, wann das nächste Schiff aus Riga anlegt oder wieviel das Korn kostet. Blüggel: “Das waren die Vorläufer der Wirtschaftszeitungen von heute.”