Altbundespräsident Köhler mahnt Putin: „Gehen Sie nicht weiter!“

In einer Fastenpredigt im Speyerer Dom hat Altbundespräsident Köhler den russischen Präsidenten Putin persönlich aufgefordert, den Krieg zu stoppen. „Werden Sie Ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen gerecht!“

Der frühere Bundespräsident Horst Köhler hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine und zu Friedensverhandlungen aufgefordert. Köhler sagte am Donnerstagabend in einer Fastenpredigt im Speyerer Dom laut Redemanuskript: „Präsident Putin möchte ich von diesem Gotteshaus zurufen: Gehen Sie nicht weiter auf dem eingeschlagenen Weg! Hören Sie die zum Himmel schreiende Stimme des vergossenen Blutes, auch aus Ihrem Volk!“ Köhler mahnte Putin, sich für eine „Friedenslösung nach geltendem Völkerrecht“ zu öffnen, und forderte ihn auf: „Werden Sie Ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen gerecht!“

Der seit mehr als zwei Jahren andauernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeige, „dass Freiheit und Demokratie nicht nur durch Wort und Geist, sondern auch durch Wehrfähigkeit zu verteidigen sind“, sagte Köhler weiter. Auf die russische Aggression habe die Europäische Union „bislang nicht mit Angst und Furcht geantwortet, sondern mit Solidarität und gemeinsamen Handeln“. Der Ukraine „in ihrem Abwehrkampf beizustehen“, bleibe auch weiter gefordert.

Es sei zu bedauern, „dass von hoher französischer und hoher deutscher Seite in dieser Frage zuletzt so unterschiedlich kommuniziert wurde“, sagte Köhler, der von Juli 2004 bis zu seinem Rücktritt im Mai 2010 Bundespräsident war. Köhler bezog sich nun offenbar auf kürzliche Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht ausschloss, woraufhin Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ihm öffentlich widersprach.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei „ein unüberhörbarer Weckruf an die EU-Mitgliedstaaten, jetzt endlich auch eine ernstzunehmende europäische Verteidigungsunion aufzubauen“, sagte Köhler (81) weiter. Europa müsse sich darüber klar werden, „dass die USA künftig – mit oder ohne einen Präsidenten Trump – nicht mehr in dem finanziellen und materiellen Umfang wie in früheren Jahren für die Sicherheit Europas aufkommen werden“.

Köhler sprach in seiner Fastenpredigt über die biblische Geschichte vom Turmbau zu Babel (Buch Genesis, Kapitel 11, Verse 1–9). „Hochmut und Hybris bahnten sich in Babel ihren Weg gen Himmel“, sagte er. Auch in der Gegenwart ließen sich „zahlreiche Beispiele von Machtmenschen finden, die sich einen Namen machen wollen und in ihrem Trachten ganze Völker hinter sich scharen“, so Köhler. „Wir bezeichnen sie gewöhnlich nicht als Turmbauer, obwohl manche von ihnen auch das gerne sind, sondern als Autokraten.“