Als Pastorin auf die Urlaubsinsel

Die Liebe zur Insel hat Alexandra Hector von Norderstedt nach Pellworm gezogen. Dort arbeitet sie seit zwei Monaten als Inselpastorin – und hat die Gemeinde schon für Neues gewonnen.

Pastorin Alexandra Hector ist auf Pellworm freundlich empfangen worden
Pastorin Alexandra Hector ist auf Pellworm freundlich empfangen wordenHelge Buttkereit

Pellworm. Inseln ziehen viele Menschen magisch an. Auch Alexandra Hector. Aber bei der 46-jährigen Pastorin geht das Interesse tiefer. „Ich wollte schon immer mal auf einer Insel wohnen“, sagt sie. So wurde sie hellhörig, als sie im vergangenen Jahr die Stellenanzeige für die Pfarrstelle auf Pellworm sah. „Ich hatte keine Not in Norderstedt“, sagt die Pastorin, die 13 Jahre lang an der Christuskirche in der Stadt am Hamburger Stadtrand wirkte. Aber die Insel im Wattenmeer reizte sie. Sie konnte sich gut vorstellen, hier zu arbeiten.
Alexandra Hector fuhr mit der Fähre von Nordstrand nach Pellworm und schaute sich alles an. Alte Kirche, Neue Kirche und natürlich die vielen grünen Wiesen mit Schafen und Kühen. Im Gemeindehaus mit dem Obergeschoss, dem großen Seminarraum und den vernachlässigten Fremdenzimmern mit dem Charme der 1970er-Jahre, habe sie gleich gedacht: „Da kann man etwas draus machen.“ Ein Seminarhaus schwebt der ausgebildeten Spiritualin vor, in dem sie Fortbildungen etwa zur geistigen Begleitung und Meditation anbieten könnte.

Tochter schon ein "Inselkind"

Den Küster konnte sie mit der Idee sofort für sich gewinnen, und auch die Kirchengemeinderäte hatten Lust, gemeinsam mit der interessierten Pastorin zu planen. „Das hat mich schwer beeindruckt“, sagt Hector. Sie bewarb sich, bekam die Stelle, und Mitte April zog sie gemeinsam mit ihrer siebenjährigen Tochter auf die Insel. Beide seien gut angekommen, sagt die Pastorin. Ihre Tochter fand schnell Anschluss in der nur acht Kinder umfassenden ersten Klasse. „Sie ist schon ein richtiges Inselkind geworden“, sagt Alexandra Hector.
Die Insulaner machen es der Pastorin leicht, eine von ihnen zu werden. Sie sei freundlich aufgenommen worden, überall stünden die Türen offen – was in Pellworm ohnehin üblich sei. Die etwas andere Form des Gottesdienstes, die Hector aus Norderstedt mitgenommen hat, mit vielen  Gelegenheiten für Begegnungen statt nur passiven Zuhörens, werde gut angenommen.
Die Gottesdienste finden abwechselnd in den beiden Kirchen der Insel statt. Die Alte Kirche St. Salvator stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist wegen ihrer Turmruine bekannt, die ein Wahrzeichen der Insel ist. Sie gibt Zeugnis von der großen Burchardiflut im Jahr 1634. Mit der Flut entstand die heutige Insel Pellworm, ein Großteil der ehemaligen Insel Strand versank im Meer – mit ihr 18 Kirchspiele. Teile der Kirchenausstattung der Neuen Kirche St. Crucis in der Mitte Pellworms stammen aus den untergegangenen Kirchspielen.

Kirche hat höheren Stellenwert auf Pellworm

Als besonderer Kunstschatz der Alten Kirche gilt die Arp-Schnitger-Orgel aus dem Jahr 1711. Die barocke Orgel wurde nicht wie viele andere im 19. Jahrhundert umgebaut. Von Anfang Juni bis Anfang September finden hier jeden Mittwoch um 20.30 Uhr bei Kerzenschein Konzerte bekannter Organisten statt. Im vorderen Bereich der Kirche steht ein gut erhaltener Beichtstuhl aus dem 17. Jahrhundert. Hier hat vermutlich auch Heinrich Hansen die Beichte abgenommen. Hansen war Anfang des 20. Jahrhunderts Pastor auf Pellworm, war Mitbegründer der Hochkirchlichen Vereinigung und hat sich zudem für den Gottesdienst in plattdeutscher Sprache engagiert. Hansen gilt als „katholischer Lutheraner“ und war so etwas wie ein früher Wegbereiter der Ökumene.
„Die Kirche hat einen anderen Stellenwert auf der Insel“, hat Alexandra Hector festgestellt. Nicht nur, dass etwa 85 Prozent der 1200 Pellwormer zu ihrer Gemeinde gehören. Als Pastorin habe sie hier eine andere Bedeutung als in Norderstedt. „Ich bin hier, um einen Dienst auszuüben, und nicht,  um hofiert zu werden oder als Respektsperson behandelt zu werden“, sagt sie, auch wenn sie sich natürlich Respekt für jeden Menschen wünsche. Dadurch, dass sich auf der Insel alle duzen, finde man aber schnell zueinander.

Hochzeitstourismus, nein danke

Mit den Eigenarten der Pellwormer kann Alexandra Hector umgehen. Die Kirchengemeinde beteiligt sich zum Beispiel nicht am Hochzeitstourismus. Die Pastorin findet das gut, sie sagt: „Ich möchte nicht das Sahnehäubchen sein.“ Wer in den beiden Kirchen heiraten möchte oder sonstige Amtshandlungen wünscht, der muss entweder auf Pellworm geboren worden oder auf der Insel gemeldet sein. Die Katholiken hingegen bieten ihre Petrus-Kapelle als Hochzeitskapelle an. Auch ökumenische kirchliche Eheschließungen seien möglich.
Besonders an die Urlauber richtet sich die „Kirche am Urlaubsort“ mit täglicher „Gute-Nacht-Geschichte“ und vielen weiteren Aktionen für Jung und Alt. Ebenfalls interessant für Touristen sind die Führungen von Walter Fohrbeck zur „Einführung in die Kirchengeschichte Pellworms“. Die gibt es alle zwei Wochen am Mittwoch um 10 Uhr in der Alten Kirche. Ein Angebot mit festem Termin. Andere Termine gibt es nicht, so Hector. Die Insulaner von Pellworm haben eben ihren eigenen Kopf.
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