Als Nationalspieler den Hitlergruß zeigten

Der FC St. Pauli bezieht heute eine klare Position gegen rechts. Das war zur NS-Zeit noch nicht so, wie eine Ausstellung in der St.-Pauli-Kirche zeigt.

Pastor Martin Paulekun vor der Schautafel über Nationalspieler Karl Miller
Pastor Martin Paulekun vor der Schautafel über Nationalspieler Karl MillerMirjam Rüscher

Hamburg. Fußballfans kommen in Kutten hierher, um vor den Heimspielen zu beten. Und wenn ein Derby ansteht, dann wird auf der Orgel sogar „You’ll Never Walk Alone“ gespielt: Die St.-Pauli-Kirche ist nicht nur dem Stadtteil, sondern auch dem FC St. Pauli eng verbunden. „Das ist eine innere Seelenverwandtschaft zwischen Kirche und FC“, sagt Pastor Martin Paulekun, der selbst Inhaber einer Dauerkarte für das Stadion ist. Für ihn ist es daher keine Frage, dass die Ausstellung, die in der Kirche am Pinnasberg zu sehen ist, auch hierher passt: „FC St. Pauli: Lebenswege 1933-45“ heißt sie und kann noch bis zum 1. März besichtigt werden.

Die Schau setzt sich mit der unliebsamen Vergangenheit des Vereins auseinander, damit, wo die Vereinsmitglieder während der NS-Zeit standen. Heute hat der Fußballverein ein so klares Profil gegen rechts wie kaum ein anderer Verein. „Kein Fußball den Faschisten“ steht es in manns­hohen Buchstaben auf der Gegengerade des Millerntor-Stadions. Doch diese klare Kante gegen rechts gab es nicht schon immer, sie ist ein Ergebnis der „zweiten Geburt“ des Vereins in den 80er- und 90er-Jahren.

Nur wenig Widerstand

Welche Rolle der FC St. Pauli, seine Mitglieder und Aktiven im Nationalsozialismus gespielt haben, das verdeutlicht die Ausstellung anhand von acht Biografien. Sie reichen von „Vereinsführer“ Wilhelm Koch über „Schreibtischtäter“ Otto Wolff, die „Verfolgten“ Brüder Lang, den „Verbindungsmann“ Walter Koehler, den „Wehrkraftzersetzer Peter Jürs“, Nationalspieler Karl Miller bis hin zu dem „kriegswichtigen“ Herbert Müller.

„Die Ausstellung zeigt, dass es nicht selbstverständlich ist, wo der Verein heute steht. Und sie zeigt, dass jeder verantwortlich ist für Demokratie und Menschenrechte“, sagt Paulekun. Besonders gelungen findet der Pastor, dass die Ausstellung keine Werturteile transportiert, sondern zeigt, „dass es nicht einfach war sich zu verhalten“. „Die Botschaft ist, dass wir alle uns für Demokratie und Menschlichkeit engagieren müssen. Und die ist heute wieder besonders wichtig“, so Paulekun.

Im Fußballverein habe es Opfer, Täter und Mitläufer gegeben, aber nur wenig Widerstand. „Das entspricht auch dem, wie es in der Kirche war“, betont der Pastor. Es habe Überlegungen gegeben, den Biografien welche aus der Kirche gegenüber zu stellen. Das hat zu der Ausstellung nicht geklappt, man solle es aber noch nachholen. „Wir wollen zeigen, dass auch die Kirche nicht immer eindeutig auf der Seite der Menschlichkeit stand“, so Paulekun.

„Erinnerung schafft Erlösung“

Aus heutiger Sicht sei es einfach, ein Urteil darüber zu fällen. „Wir zeigen die Ausstellung aber nicht um zu bewerten, sondern zum zu Erinnern. Erinnerung schafft Erlösung“, meint der Pastor. Er war mit Konfirmanden in der Ausstellung und hat erlebt, wie sie auf die Jugendlichen wirkt. „Was sie am erschütterndsten fanden, war, Nationalspieler Karl Miller mit Hitlergruß zu sehen, die ganze Nationalmannschaft mit Hitlergruß zu sehen“, so Paulekun. Das habe etwas bei den Jugendlichen ausgelöst.

Die Ausstellung, das Thema passe gut in die Kirche, betont der Pastor. So wie der Fußball selbst auch. „Wir als Kirche wollen uns mit dem Stadtteil und dem Leben hier verbinden, da gehört das dazu“, so Paulekun. Wenn ihn Fans des FC St. Pauli fragen, ob man denn für den Fußball beten darf, sagt der Kiezpastor natürlich ja. „Ich denke schon, dass man das darf, und im Fall von St. Pauli ist das ja manchmal auch nötig“, sagt er. Und fügt hinzu: „Außerdem denke ich, falls Gott wirklich manchmal Fußballspiele guckt, dann auf jeden Fall die von St. Pauli.“

Info
Die Ausstellung ist Teil der Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag der St.-Pauli-Kirche. Die nächsten Öffnungszeiten sind Sonnabend und Sonntag, 8. und 9. Februar, 13 bis 16 Uhr, Donnerstag, 13. Februar, 15 bis 18 Uhr. Weitere Infos und Öffnungszeiten gibt es auf www.stpaulikirche.de.