Als gläubiger Katholik “unter Heiden”

Über den Glauben reden, den eigenen, nicht den aus dem Lehrbuch. Einnehmend, ohne zu vereinnahmen. Persönlich, ohne in Phrasen zu verfallen. Dass das noch geht, beweist ein Münchner Journalist. Und wie.

“Diesen Text traue ich mich nur zu schreiben, weil ihn sowieso niemand liest.” Was für ein Einstieg. Mit diesen koketten Worten begann ein Essay im Magazin der “Süddeutschen Zeitung”, der Kreise zog. Autor Tobias Haberl musste mehr als 500 Zuschriften beantworten und eine ebenfalls veröffentlichte Replik seines Chefredakteurs hinnehmen. Was hatte er nur getan?

Der Journalist hatte es gewagt, sich als gläubiger Katholik und Kirchgänger zu outen. Allen Schlagzeilen über Missbrauch und der vermeintlichen Ewiggestrigkeit der Kirche zum Trotz. Und war dann selbst überrascht von der überwiegend positiven Resonanz.

Denn Haberl hatte nach eigenem Bekunden eher mit einem Shitstorm gerechnet als mit Zuspruch. “Es kamen Mails von Katholiken, Protestanten, Muslimen, Zweiflern und Atheisten. Aber auch die kritischen enthielten nichts von Hass oder Häme”, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Was doch sehr ungewöhnlich sei. “Wer heute eine Haltung zu einem kontroversen Thema einnimmt, wird eigentlich sofort torpediert.”

Nun, anderthalb Jahre später, legt der gebürtige Niederbayer ein Buch vor. Es trägt denselben Titel wie sein Essay damals: “Unter Heiden”. Und allein die Tatsache, dass ein großer, säkularer Verlag sich des Manuskripts angenommen hat, deutet darauf hin, dass da einer einen Nerv getroffen hat. Ausgerechnet mit Bekenntnisliteratur.

Haberl, 49, stammt aus dem Bayerwald. Der Vater war Landarzt, er selbst studierte Literaturwissenschaft in England und besuchte die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg. Schon nach den ersten Zeilen wird klar: Der Mann kann schreiben, aber hat er auch etwas zu sagen?

In weiten Teilen liest sich sein Buch wie eine Entladung. Haberl sagt, in seinem Freundes- und Kollegenkreis lehnten viele Glaube und Kirche pauschal als fortschrittsfeindlich ab. Ohne genauere Kenntnisse zu haben oder gar über tiefergehende eigene Erfahrungen zu verfügen. Ein Schlüsselerlebnis habe es für ihn nicht gegeben, auch wenn er sich bisweilen in die Ecke gedrängt gefühlt habe. “Es war einfach an der Zeit, mich einmal zu erklären.”

Der weit gereiste Reporter hat viel von der Welt gesehen – und auch vieles ausprobiert: Sport, Sex, Drogen. “Oft hat es sich grandios angefühlt, aber immer nur für kurze Zeit, immer kam irgendwann der Punkt, an dem es schal wurde, wie ein abgestandenes Glas Bier”, schreibt er. “Anders der Glaube, der mich nicht nur seit fast fünfzig Jahren durchs Leben begleitet, sondern sich, je älter ich werde, immer schöner und richtiger anfühlt.”

Um die Essenz seines Glaubens darzulegen, kann der Journalist in zwei Sätzen erst Joseph Ratzinger und gleich danach dessen Antipoden Hans Küng zitieren. Eindrücklicher geraten ihm aber eigene Formulierungen, weil sie ohne theologischen Jargon daherkommen. Was der Glaube für ihn sei? “Ein großes Glück”, nämlich “die Gewissheit, wahrgenommen zu werden, ohne mich darstellen, beweisen oder rechtfertigen zu müssen”. Und Gott? Der sei “überall, wo etwas aus Liebe gesagt oder getan wird”.

Erfrischend angesichts der manchmal ermüdenden innerkirchlichen Grabenkämpfe wirkt Haberls Plädoyer für Vielfalt, auch Widersprüchlichkeit “unter dem Dach des Glaubens”. Seine spirituelle Heimat hat er in der alten Messe gefunden, ohne dass er sich in die Traditionalistenecke stecken lassen will. Nirgendwo sonst mache er eine solch überwältigende Erfahrung der Ehrfurcht. In den katholischen Reformdebatten positioniert sich der Autor dagegen eher auf der Seite der Liberalen.

Haberl ist weder Missionar noch Apologet, mal ist er konservativ, mal progressiv, dabei stets persönlich. Da ist einer, der sich vortastet, sich selbst nicht zu wichtig nimmt. Und auch zugeben kann, wo er nur vorläufige Antworten hat.

Der Journalist träumt von einer Kirche, “die beides ist: geheimnisvoll und verlässlich, rätselhaft und verantwortungsbewusst, eine göttliche Offenbarung und eine vertrauenswürdige Institution”, “eine Kirche, die alle Menschen nicht theoretisch, sondern wirklich liebt”.