Als die Pastorin einen Schnaps brauchte

Mit viel Beharrlichkeit ist die Beschaffung von drei neuen Glocken für die Georgenkirche in Waren nach drei Jahren gelungen.

Lange musste die Kirchengemeinde St. Georgen in Waren auf ihre neuen Glocken warten.
Lange musste die Kirchengemeinde St. Georgen in Waren auf ihre neuen Glocken warten.epd/Hans-Joachim Kohl

Waren. 2017 hatte die Gemeinde den ersten Spendenaufruf für die drei neuen  Glocken der Georgenkirche in Waren veröffentlicht. Alle Ensembles der Kirchengemeinde unter Leitung von Kantorin Christiane Drese spielten 2018 ein beeindruckendes Benefizkonzert. Sie dirigierte auch den kleinen Chor aus Kindern und Mitgliedern des Kantatenchores zum Empfang an der Georgenkirche.

Überraschende Einzelspende ermöglichte die Finanzierung

Mit der großen Spende vom Warener Arzt Manfred Demmler rückten die neuen Glocken in greifbare Nähe. Damit gab es aber erst ein „Missverständnis“, erzählt Pastorin Anja Lünert. „Nach der Veröffentlichung des ersten Spendenaufrufes erhielt ich die Aufforderung, doch mal einen Besuch bei Manfred Demmler zu machen. Er hatte in Waren bis ins hohe Alter hinein als Zahnarzt gearbeitet. Der, so wurde mir gesagt, wolle etwas für die Glocken spenden. Wie sich herausstellte, wollte er nicht ‚etwas für die Glocken spenden‘, er wollte ‚die Gepdlocken spenden‘. Da habe ich zum ersten Mal im Leben einen Schnaps gebraucht. Zahnarzt Manfred Demmler war kein großer Kirchgänger, aber er liebte den Klang der Glocken. Leider verstarb er im Dezember 2019 und wurde im Januar begraben. Ein bemerkenswerter Mensch.“

Planungen bereits seit Anfang 2019 abgeschlossen

Die Gemeinde hatte gehofft, bald die Glocken gießen zu können. „Ganz so schnell ging es leider dann doch nicht“, sagt die Pastorin. Am 8. Mai 2020 war es aber soweit. Genau am 75. Jahrestages des Endes des 2. Weltkrieges, in dem so viele Glocken auf „Glockenfriedhöfen“ landeten, um dann eingeschmolzen und zu Munition verarbeitet zu werden. „Ob es wohl Zufall war oder ob den Mitarbeitenden der Firma Bachert in Neunkirchen das bewusst war?“ fragt Anja Lünert sich noch heute. Auch drei der vier Glocken aus dem Georgenkirchturm mussten im Krieg abgeliefert werden. Nur die Kleinste wurde im Turm belassen.

Den Schmuckfries der Bronzeglocke von 1925 hat die Grafikerin Anke Weiss auf die drei neuen Glocken übertragen. Die Erste, die Friedensglocke, trägt die Jahreslosung des Jahres 2019 und das Motiv aus dem Nordfenster der Kirche, auf dem Petrus seine bittenden Hände Christus entgegenstreckt. Sie wiegt 2150 kg, hat einen Durchmesser von 1500 mm und wird auf dem Hauptton cis klingen.
Die zweite Glocke ist die Vater-unser-Glocke. Sie wiegt 850 kg, hat einen Durchmesser von 1120 mm und wird auf dem Hauptton fis klingen. Auf ihr ist der Namenspatron der Kirche abgebildet, der Heilige Georg, der das Böse in Gestalt eines Drachens besiegt. Dazu ziert diese Glocke ein Satz aus dem Vater-Unser: „Erlöse uns von dem Bösen!“
Die dritte ist die Auferstehungsglocke. Sie ist mit dem Motiv des auferstandenen Christus aus dem Chorfenster der Kirche verziert. Dazu ein Wort Jesu, wie der Evangelist Johannes es überliefert: „Ich lebe und ihr sollt auch leben“.

Guss folgt einem festen Ritual

Glocken werden übrigens immer am Freitag um 15 Uhr gegossen, zur Sterbestunde Jesu. Zuerst wird von der Pastorin – Anja Lünert war dabei – ein Gebet gesprochen. „Wir haben dafür gebetet, dass diese Glocken niemals für Krieg und Feuer läuten werden, sondern immer für das Leben, die Erlösung und den Frieden”, erzählt sie. Die neuen Glocken stehen jetzt im Südschiff der Georgenkirche, wo man sie anschauen und auch anfassen darf. Die Glockenweihe ist für den 31. Januar 2021 geplant.