Deutschland, Österreich-Ungarn, Russland und die Türkei – sie alle hatten mit dem Ersten Weltkrieg ihren Monarchen verloren: Zar, Kaiser, Sultan. Papst Pius XI. stellte vor 100 Jahren einen anderen König in die Mitte.
Katholische Ideenfeste sind heute in der Summe nicht mehr leicht vermittelbar. Sie sollen jeweils ein Element des Glaubens ins Zentrum des Gottesdienstes stellen: Fronleichnam; Herz-Jesu; Dreifaltigkeit und andere. Das Christkönigsfest ist auch eines von ihnen – und es hat einen runden Geburtstag.
Eingesetzt hat es Papst Pius XI. mit seiner Enzyklika “Quas primas” vom 11. Dezember 1925, vor 100 Jahren. Wichtigstes Ziel war erklärtermaßen, der fortschreitenden Verweltlichung des öffentlichen Lebens zu begegnen. Seit 1970 wird Christkönig am letzten Sonntag des Kirchenjahres gefeiert, also Ende November, unmittelbar vor dem Advent. Ursprünglich lag es auf dem Sonntag vor Allerheiligen, also einen Monat früher, Ende Oktober. Und bei seiner ersten Auflage beging man es an Silvester 1925.
Wenige Jahre zuvor waren mit dem Ende des Ersten Weltkriegs einst mächtige Monarchien Europas untergegangen. In Deutschland, in Österreich-Ungarn, in Russland und der Türkei gab es nun keinen Kaiser mehr, keinen Zaren, keinen Sultan. Aber Christus, der wahre König, der war noch da…
Über das Königtum sprechen diverse Passagen der Bibel, im Neuen Testament das Königtum Christi. Sie sind zumeist mit der Regentschaft über das “Volk Gottes” verknüpft, aber auch mit dem Leiden Jesu. So bestätigt er vor dem römischen Statthalter Pontius Pilatus seinen Herrschaftsanspruch als “Jesus von Nazareth, König der Juden” (INRI) – und doch lässt er sich eine Dornenkrone aufsetzen und sich dafür verhöhnen. Pius XI. wollte nun die Führung Christi in Familie, Gesellschaft und auch im modernen Staat neu und besonders betonen.
Ein zentrales Ziel des Papstes war, “den Irrtum des Laizismus” zu bekämpfen und einem “Versagen der Katholiken” entgegenzusteuern. Dieses Versagen, so Pius XI., äußere sich in Schulterzucken und Zögerlichkeit der Guten, die – wenn überhaupt – nur schwachen Widerstand gegen “die Feinde der Kirche” leisteten. Dadurch würden diese “nur desto unverschämter und verwegener”. Auch politisch, so schrieb der Papst, gebe es eine “Zügellosigkeit von Leidenschaften und Begierden” unter den Völkern, die allzu oft unter einer “Maske der Vaterlandsliebe” steckten.
Die Kirche in Frankreich steckte seit dem 19. Jahrhundert in einem langen, bitterbös geführten Streit mit dem Laizismus, der 1905 in eine radikale Trennung von Staat und Kirche mündete. Von dort waren über Jahrzehnte vehemente Forderungen zur Einführung eines solchen Festes formuliert worden. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sprachen sich dann mehr als 600 Bischöfe und Ordensobere dafür aus.
In Deutschland wurde das Fest gut angenommen. Der Deutsche Katholikentag im August 1926 in Breslau stand schon unter dem Leitwort “Christus – König”. Bald wurden viele Kirchen mit dem Patronat Christkönig geweiht, die wohl erste bereits im November 1926 in Mainz-Bischofsheim – ein Entwurf des Architekten Dominikus Böhm (1880-1955). Böhms parabelförmiger Betonbau kam indes nicht überall in der Kirchenleitung gut an: Der Münchner Kardinal Michael Faulhaber wetterte 1929 gegen den Bau von Gotteshäusern, die auch “eine Sperrfestung im Tessinertal” sein könnten. Der Seitenhieb kränkte Böhm tief.
Als Absage an den totalen Machtanspruch des Faschismus spielte das Fest Christkönig in der NS-Zeit besonders in der katholischen Jugend einen wichtige Rolle. Mit Prozessionen, Fahnen und Gottesdiensten setzten junge Katholiken ein Zeichen gegen den nationalsozialistischen Führerkult. Dieses sichtbare und mutige Bekenntnis schuf auch einen hohen Erlebniswert – verlief es auch sehr anders als die jüngsten Demonstrationen gegen das selbstherrliche Gebaren von Donald Trump unter dem Motto: “No kings!” – keine Könige…
Der von Papst Pius XI. beabsichtigte, auch durchaus weltliche Charakter des Christkönig-Festes trat nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Liturgiereform im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) hinter die “Letzten Dinge” zurück. Neben der Verlegung auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres im Jahr 1970 wird in den Texten im Gottesdienst seither die Königsherrschaft Jesu mehr auf das Ende der Zeiten verlegt: Christus als das Ziel der Geschichte.