Alkohol und Cannabis: Das fragwürdige Recht auf Rausch

Die teilweise Legalisierung von Cannabis spaltet. Unser Autor Gerd-Matthias Hoeffchen trinkt selbst keinen Tropfen Alkohol und wirft der Gesellschaft eine Doppelmoral vor.

Ein "Nein" zum Alkohol stößt auf Festen oftmals auf Unverständnis, wie unser Autor Gerd-Matthias Hoeffchen berichtet
Ein "Nein" zum Alkohol stößt auf Festen oftmals auf Unverständnis, wie unser Autor Gerd-Matthias Hoeffchen berichtetImago / Silas Stein

Seit ich 14 war, habe ich keinen Alkohol mehr getrunken. Man ahnt: Da steckt eine Geschichte dahinter. Aber die soll hier nicht erzählt werden.

Ein Leben ohne Bier und Wein. Kein Aperitif, kein Verdauungsschnaps. Kein Sekt zum Frühstück, kein Cocktail am Abend. Das mag man für außergewöhnlich halten. Tatsächlich sorgt mein „Nein, danke“ bei Feiern und Festen für Staunen. Da steht man schnell als Spaßbremse da. In Dublin hat mich mal jemand gefragt „warum kommst du dann nach Irland?“ Und in Minsk wurde ich bei einer Hochzeit erst in Ruhe gelassen, als ich mich als trockener Alkoholiker ausgab – eine Notlüge, die mich vor einer Prügelei mit dem Gastgeber bewahrte.

Alkohol kann Familien zerstören

Niemals einen Tropfen Alkohol anrühren (Ausnahme: Abendmahl). Diese Haltung sorgte dafür, dass ich als Student die tollsten Autos fahren durfte. Weil mich nämlich die besser betuchten Freunde als Fahrer für den Heimweg von Partys und Disco-Besuchen buchten. Auf der anderen Seite bedeutete das auch, dass ich den ganzen Abend mitbekam, wie sich die Menschen in meiner Umgebung veränderten. Glas für Glas. Flasche für Flasche. Und nicht zum Guten. Keine schöne Erfahrung. Manchmal hätte ich schon fast aus Verzweiflung mittrinken wollen.

Der Teufel hat den Schnaps gemacht. So weit wie Udo Jürgens in dem Lied aus den 70ern würde ich zwar nicht gehen. Aber ich habe hautnah erlebt, wie der Alkohol Familien zerstört, Menschen in prügelnde Berserker verwandelt, Gattinen und Gatten in lüsterne Ehebrecherinnen und Ehebrecher, Menschen in Schlangenlinien vor den Brückenpfeiler krachen lässt. Und zeitlebens habe ich mich gewundert, wie man sich einreden kann: Uns passiert das schon nicht.

Alkohol Ja, Cannabis Nein: Doppelmoral

Vor allem aber wundere ich mich über die Doppelmoral, mit der eine Gesellschaft seit Jahrzehnten Cannabis und Co. verbietet, während sie beim Alkohol seit Jahrhunderten das Recht auf Rausch und Kontrollverlust wie eine heilige Kuh pflegt.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich bin kein Freund von Hasch oder Ähnlichem. Tatsächlich halte ich alle berauschenden Substanzen für fragwürdig.

Wenn jetzt über die Legalisierung von Cannabis verhandelt wird, mag ich gar nicht groß in die Diskussion eingreifen. Viel lieber würde ich laut und vernehmlich rufen: Ein Leben ohne Schwips und Stimmungsaufheller ist möglich! Es ist sogar sinnvoll. Zeigen wir unseren Kindern und Enkeln, Freundinnen und Kollegen, dass Alkohol und Cannabis nicht nötig sind. Wenn Verbote nicht helfen, dann vielleicht Vorbilder.