Die Szene wirkt wie das Finale einer globalen Reality-Show: Donald Trump lädt Wladimir Putin nach Alaska, Anchorage wird zur Bühne eines geopolitischen Schauspiels. Staatskarossen gleiten über das Rollfeld, Kamerateams drängen sich um jeden Händedruck, der rote Teppich leuchtet im Scheinwerferlicht. Und doch: Hinter all dem Protokoll, hinter der Sprache der Macht, bleibt politisch wenig – oder gar nichts. Für die Ukraine bringt der Gipfel keine Wende, keine Waffenruhe, keine Hoffnung. Im Gegenteil: Putin verlässt das Podium selbstsicher, mit neuem Glanz, salonfähig gemacht von einer amerikanischen Inszenierung. Aus dem weltweit als Kriegsverbrecher geächteten Außenseiter wird wieder ein Mitspieler, der die Bühne mit den „Großen“ teilt.
Internationale Reaktionen sind kühl bis entsetzt. Medien von Kiew über Paris bis Berlin sprechen von einer „Farce“, einer „Verbeugung vor dem Aggressor“ – die Hoffnung auf echten Fortschritt, ohnehin schon schwach, ist nach diesem Auflauf ganz erloschen.
Bestätigung der eigenen Weltsicht
Dass Trump trotzdem daheim als Sieger gefeiert wird, gehört zum festen Ritual seines politischen Universums. Seine Anhängerschaft, unerschütterlich wie eh und je, interpretiert jedes Bild und jeden Handschlag als Bestätigung der eigenen Weltsicht: Da ist der starke Mann, der endlich Frieden bringt – auch wenn bei näherem Hinsehen kein Frieden entsteht. Fakten werden ausgeblendet, Kritik prallt an der Mauer der Selbstgewissheit ab. Wer widerspricht, wird zum „Feind der Bewegung“, die Realität wird so lange gedreht, bis sie in die eigene Wunschwelt passt.
Trump gefällt sich als Heilsbringer. Vor dem Gipfel bringt er wortreich seinen Anspruch auf den Friedensnobelpreis ins Spiel, fragt öffentlich, wie man an den „großen Friedenspreis“ kommt. Es ist eine Anmaßung, die an Dreistigkeit kaum zu überbieten ist. Denn: Friedenspreisträger stehen für Demut, für Vermittlung, für die Fähigkeit, eigene Interessen zurückzustellen – Attribute, die in der „Trump-Show“ kaum eine Rolle spielen. Hier zählt das Bild, nicht die Botschaft, der Applaus, nicht das Ergebnis.
Wir wollen fair bleiben: Kurz vor dem Gipfel in Alaska gelang Trump mit der Vermittlung zwischen Armenien und Aserbaidschan tatsächlich ein diplomatischer Erfolg. Beide Staaten unterzeichneten auf sein Betreiben eine Erklärung zur Beendigung der Kampfhandlungen und zur Öffnung eines Transitkorridors – ein Schritt, den viele als Hoffnungssignal für den Südkaukasus werteten. Zwar sind die Aussichten ungewiss, denn zentrale Streitpunkte sind ungelöst, doch Trumps Friedensmission zwischen Baku und Eriwan hat neue Gesprächsräume eröffnet.
Gipfel bleibt Symbolpolitik
Trotzdem: Trump als Träger des Friedensnobelpreises? Das klingt so, als würde man Darth Vader, den Oberbösewicht der Science-Fiction-Saga Star Wars, als Heiland preisen, weil er gerade einer alten Dame über die Straße geholfen hat.
Gerade dieses Auseinanderklaffen zwischen Schein und Sein ist entlarvend. Der Gipfel bleibt Symbolpolitik; die Drohnen kreisen weiter, das Leiden bleibt. Der große Handschlag, das Gruppenfoto, die lauten Worte – doch Fortschritt, Versöhnung, gar Sicherheit entstehen nicht. Trump nutzt den Frieden als Bühne, nicht als Ziel. Der Friedensnobelpreis wird zur Staffage für die selbstverliebte Eigendarstellung.
Zuspruch christlicher Wähler
Besonders verstörend ist dabei der anhaltende Zuspruch der christlichen Wählerschaft zu Trump. Mehr als zwei Drittel der weißen Evangelikalen stehen fest hinter ihm – laut einer Pew-Umfrage vom April 2025 sind es noch immer 72 Prozent, die mit Trumps Amtsführung zufrieden sind. Zwar ist das etwas weniger als bei seiner Wiederwahl im November 2024, als laut Wählernachbefragung über 80 Prozent dieser Gruppe für Trump stimmten, doch bleibt der Rückhalt weiterhin außerordentlich hoch.
Ein Widerspruch, der religiös wie politisch kaum erklärbar scheint. Trump wird in konservativen Kreisen zum Werkzeug Gottes stilisiert, als sei er eine Art moderner Kyros oder David: beides Herrscher, die der Bibel zufolge trotz gravierender Verfehlungen in Lebenswandel und Moral schließlich zum Segen für ihr Volk wurden. Aber kann man Donald Trump tatsächlich mit den großen Figuren der Bibel vergleichen? Seine Anhänger scheinen das zu glauben. Auch wenn bei Trump nichts zu spüren ist von Reue, Umkehr, Verantwortung oder Buße – daran fehlt es ihm völlig. Seine Selbstherrlichkeit ist kaum zu überbieten; Demut gegenüber Gott? Fehlanzeige. Biblische Bezüge werden hier missbraucht, um blinde Treue zu rechtfertigen, wo eigentlich kritische Distanz und Gewissen gefragt wären.
Trumps Handeln widerspricht christlichem Glauben
Krass klafft die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Trumps selbstgerechte Auftritte, seine Begeisterung für sexuelle Distanzlosigkeit gegenüber Frauen, seine Haltung zu Wahrheit und Lüge, die Verachtung für Schwache und Arme – sie widersprechen in eklatanter Weise den zentralen Leitwerten des christlichen Glaubens. Was bleibt, ist verstörend: Bei Trump-Anhängern ersetzt blinde Loyalität das Gewissen, die biblische Mahnung, „anstößig gewordene Hirten“ zur Umkehr zu rufen, verstummt im Rausch der Inszenierung.
Zwar mag es mittlerweile manchen dämmern – die Skandale, innere Brüche im Trump-Lager, zeigen, dass langsam auch dort Zweifel aufkommen. Doch noch halten Loyalität und Personenkult. Was dabei auf der Strecke bleibt, sind Demokratie, Anstand, das Ringen um tatsächlichen Frieden – und die Unterscheidung zwischen echter Verantwortung und bloßer Selbstvermarktung.
Was christliche Ethik wirklich verlangt
Vielleicht wächst aus der aktuellen Ernüchterung langsam ein neuer Blick auf das, was christliche Ethik tatsächlich verlangt: Demut und Dialog, den Willen zur Wahrheit, die Bereitschaft, auch unbequeme Fragen zu stellen. Dann könnte der Unterschied zwischen „Show“, Frieden und tieferem Glauben wieder sichtbar werden – und eine neue Auseinandersetzung beginnen.
Denn die Welt braucht keine weiteren Gaukler auf dem diplomatischen Parkett. Sie braucht, gerade jetzt, Menschen und Gemeinschaften, die sich der Aufgabe stellen: für Wahrheit, Gerechtigkeit und echten Frieden einzutreten – gegen Hass, Selbstinszenierung und falsche Helden.
