Aktionsbündnis: Falschdiagnose beim Arzt trifft jeden im Leben

Tausende Behandlungsfehler in Deutschland führen zu teils schwerwiegenden Folgen – bis hin zum Tod. Oft sind es falsche Diagnosen. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert eine offene Fehlerkultur.

Jeder Mensch erlebt nach Aussage des Aktionsbündnisses Patientensicherheit wenigstens einen medizinischen Diagnosefehler in seinem Leben. Das gelte sowohl für Unter- als auch Überdiagnostik etwa bei Autismus oder Asthma. Doch Deutschland messe diese Fehler nicht. “Wir messen sie nicht, weil wir sie nicht wissen wollen”, beklagte die Vorsitzende Ruth Hecker am Montag in Berlin anlässlich des Welttags der Patientensicherheit am Dienstag (17. September).

Dabei verschlingen laut Hecker Behandlungsfehler Milliarden Euro im Gesundheitssystem. Denn eine falsche Diagnose oder ein Arzneimittelfehler hätten oft langwierige und teure Folgen. Die Patientensicherheit müsse dringend und mit großer Ernsthaftigkeit auf der politischen Agenda landen. Und es brauche endlich mehr Wissen, an welcher Stellschraube zuerst gedreht werden müsse. Andere Länder seien da viel weiter, so Hecker.

Ein transparenter Umgang mit Fehlern ist aus Sicht des Aktionsbündnisses ein wichtiger Lernschritt. Es brauche eine offene Kommunikationskultur, “in der Fehler als Lernchancen betrachtet werden und keine Angst vor Sanktionen herrscht”, sagte Hecker im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Nur so gebe es Transparenz und Verbesserungen. “Es reicht nicht, einzelne Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen – die Sicherheit der Patientinnen und Patienten muss tief in den alltäglichen Arbeitsabläufen und in der Denkweise aller Beteiligten verankert werden.” Dazu gehöre es auch, endlich weg von dem ökonomischen Druck in den Krankenhäusern zu kommen.

Denn, so Heckers Urteil, es fehle weiterhin eine Sicherheitskultur im deutschen Gesundheitswesen. Den Erhebungen des Bündnisses zufolge sterben in Deutschland jedes Jahr bis zu 19.000 Menschen infolge vermeidbarer Behandlungsfehler. Die Sicherheit der Patienten sei nicht nur Angelegenheit der Praxen und Kliniken, sondern müsse von allen Entscheidern im Gesundheitswesen beachtet werden. “Ob es um die Finanzierung, die Ausstattung oder die Arbeitsbedingungen von medizinischem Personal geht – die Sicherheit der Patientinnen und Patienten muss immer oberste Priorität haben”, sagte Hecker .

Wie der Medizinische Dienst fordert das Aktionsbündnis eine sogenannte Never Event Liste. Also eine anonyme Erhebung von Behandlungsfehlern, die niemals hätten passieren dürfen. Ein Beispiel ist das Vertauschen eines Patienten. “Wenn Patienten durch vermeidbare Fehler geschädigt werden, ist das auch ein Verstoß gegen das Menschenrecht”, so der Vizevorsitzende des Aktionsbündnisses, Christian Deindl. Der Patient müsse viel stärker in seinen Behandlungsplan einbezogen werden.

Laut einer forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse wächst die Angst vor einem Krankenhausaufenthalt. Ein Drittel der Befragten im Alter von 18 und 70 Jahren hat Ängste in Bezug auf die Behandlung – Frauen häufiger als Männer. Bei der ersten Erhebung im Jahr 2019 lag der Anteil bei 29 Prozent und sank mit Beginn der Corona-Pandemie auf 17 Prozent. Knapp jeder zweite Besorgte begründet seine Angst vor einer stationären Behandlung mit eigenen schlechten Erfahrungen. Fast ebenso viele haben Negatives gehört.