Ärztekammer-Präsidentin fordert „neues Schlafbewusstsein“
Von wegen nur verschlafene Zeit! Im Schlaf passiert eine Menge, sagt Martina Wenker von der Ärztekammer. Ein Plädoyer für bessere Erholung zum Tag des Schlafes.
Mit Blick auf den Tag des Schlafes am 21. Juni hat die Präsidentin der Niedersächsischen Ärztekammer (ÄKN), Martina Wenker, ein „neues Schlafbewusstsein“ gefordert. Gerade in den Industriegesellschaften sei immer weniger Raum für Zeiten notwendiger Erholung, sagte Wenker im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir sollten den Schlaf nicht als ineffiziente, also buchstäblich verschlafene Zeit abtun, sondern ihn in seiner elementaren Bedeutung für ein ausgeglichenes und gesundes Leben wertschätzen“, betonte die Internistin und Schlafmedizinerin.
Zudem sei Schlaf alles andere als ein passiver Zustand. „Was im Schlaf an Stoffwechselprozessen, an Erholung, an Reparaturarbeiten und an psychischer Verarbeitung stattfindet, das ist schon echt ein Hochleistungsbetrieb“, sagte die Kammerpräsidentin.
Wer braucht wieviel Schlaf?
Wenker sagte, das Schlafbedürfnis könne von Mensch zu Mensch stark variieren: „Der eine kommt bereits mit fünf Stunden Schlaf hin und fühlt sich morgens energiegeladen. Ein anderer schläft sieben oder acht Stunden und hat womöglich das Gefühl, es reicht gerade so.“ Ein eindeutiges „Richtig oder Falsch“ gebe es nicht. Allerdings könnten wiederkehrende Müdigkeit am Tag und ein anhaltendes Gefühl der Energielosigkeit auf Schlafstörungen hindeuten. In diesem Fall sei eine Abklärung beim Hausarzt angezeigt.
Die ÄKN-Präsidentin erläuterte, dass Schlafstörungen eine Ursache oftmals in einem „Auseinanderdriften von innerer Uhr und Lebensrhythmus“ hätten. Der gängige 24-Stunden-Rhythmus entspreche der sogenannten Chronobiologie – also der inneren Uhr – der meisten Menschen allenfalls ungefähr. „Die innere Uhr hat oftmals eher 25 Stunden. Das heißt, äußerer und innerer Rhythmus sind immer nur punktuell synchron“, erläuterte sie. „Meist entfernen sie sich voneinander oder bewegen sich aufeinander zu, was erklärt, warum wir uns bei gleichem Schlafverhalten nicht immer gleich fit oder müde fühlen.“
Auch wenn niemand seine innere Uhr wirklich „austricksen“ könne, seien die meisten Menschen zumindest in gewissem Maß an vorgegebene Arbeits- und Lebensryhthmen anpassungsfähig. Seien diesbezügliche Anforderungen aber zu extrem, könne die Schlafarchitektur schlimmstenfalls zerstört werden, „mitunter sogar dauerhaft, sodass Schlafstörungen zu einem lebenslangen Leiden werden“, betonte Wenker. Zu beobachten sei dies insbesondere bei Werktätigen in Schichtarbeit.
Am längsten Tag des Jahres
Der „Tag des Schlafes“ wird seit dem Jahr 2000 jährlich am 21. Juni begangen, dem längsten Tag des Jahres. Ursprünglich hatte der in Frankfurt am Main ansässige, inzwischen inaktive Verein „Tag des Schlafes e.V.“ das Datum ausgerufen. Später übernahm es die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) für ihre Aktion „Erholsamer Schlaf“, mit der sie auf unterschiedliche Aspekte von Schlafgesundheit hinweisen will.
Zu unterscheiden ist der auf Deutschland begrenzte Aktionstag am 21. Juni von dem 2008 begründeten „World Sleep Day“. Der Weltschlaftag findet jährlich am Freitag vor dem kalendarischen Frühlingsanfang statt, der sich wiederum nach dem Datum der Tagundnachtgleiche richtet. Im Jahr 2023 fiel er auf den 17. März.