Saftig rot leuchten die Äpfel an den Bäumen, die akkurat in achtzehn langen Reihen nebeneinander stehen. Daneben reihen sich Birnbäume auf dem Versuchsgelände des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums (LTZ) Augustenberg in Karlsruhe. Ob Apfel „Topaz“ oder Birne „Conference“: Das besondere ist hier, dass die meisten der mehr als 2.000 Bäume auf dem ein Hektar großen Gelände Solarkollektoren über sich haben.
Etwa vier Meter über den Bäumen sind die Paneele angebracht. Im Versuchsfeld ist es etwas schattiger und kühler als außerhalb, die Äpfel weniger rot. Wie sich Photovoltaik-Anlagen auf Pflanzenwachstum, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Ertrag und Qualität auswirken, untersucht die Agrarwissenschaftlerin Greta Ott.
Agri-Photovoltaik schützt Pflanzen bei Starkregen
„Wo Licht ist, ist auch Schatten“, erläutert Ott bei einem Rundgang dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das gelte im wahrsten Sinn des Wortes. Die Solar-Module fangen nicht nur einen Teil der Sonnenstrahlung ab, sondern auch Niederschläge – ein Vorteil bei Starkregen. Durch den Schatten bildeten die Bäume weniger Blüten und Fruchtansätze. Auch die Äpfel würden etwas später reif, was allerdings kein Nachteil sein müsse.

Die Forscherin analysiert, wie sich die veränderte Luftzirkulation sowie Licht- und Wasserverhältnisse auf die Pflanzen auswirken. Die Anlage in Karlsruhe ist eine von elf Pilotanlagen der Modellregion Agri-PV Baden-Württemberg, das vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg geleitet wird.
Forschung prüft Nutzen der Agri-Photovoltaik für Landwirtschaft
Getestet werden zwei unterschiedliche Photovoltaik-Module. Sogenannte nachgeführte Module richten sich automatisch nach dem Sonnenstand aus und steigern die Energieausbeute um bis zu 30 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen. Ziel der im Oktober 2024 in Betrieb genommenen Anlage sei es, geschätzt 530.000 Kilowattstunden pro Jahr zu erzeugen, die vom Technologiezentrum selbst genutzt werden sollen.
Der Leiter des Obsthofes der LTZ, Hermann Meschenmoser, beschreibt das Projekt, das vom Land Baden-Württemberg unterstützt wird, als „spannende Idee“. Er warnt jedoch vor zu viel Enthusiasmus. Es müsse erst einige Jahre getestet werden, welche Pflanzen besonders gut und welche weniger geeignet seien. Für die Landwirte müsse es sich rechnen, weiter ihre Felder zu bewirtschaften: „Wir wollen keine Alibibäume.“
Dies bestätigt Professor Andreas Bett, Institutsleiter des Fraunhofer ISE: „So sehr uns die Solarenergie auch am Herzen liegt: Wenn die Photovoltaik in die landwirtschaftliche Produktion integriert werden soll, hat sie sich dieser unterzuordnen.“
Agri-Photovoltaik steigert Erträge bei Obst, Gemüse und Weinbau
Bei Obst-, Gemüse- und Weinanbau sei der Nutzen für verbesserte Ernteerträge besonders hoch, so die Forscher. Auch schattentolerante Kulturen, wie Blatt- oder Fruchtgemüse, oder Feldfutterarten wie Kleegras eigneten sich ebenfalls sehr gut. Zudem ließen sich Pflanzenschutzmittel einsparen.

Die Agri-PV trage zur effizienten Landnutzung bei und schütze vor Schäden durch Hagel, Frost und Dürre, sagt Max Trommsdorff, Gruppenleiter Agri-Photovoltaik am Fraunhofer ISE. Langfristig werde die Solarenergie zur wichtigsten Säule der Energieversorgung, ist er überzeugt. Nur vier Prozent der deutschen Ackerflächen genügten, um den gesamten aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken.
Informationen über die relativ neue Technologie haben die Experten in dem kostenlosen 84-seitigen Leitfaden „Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende“ auf Deutsch und Englisch veröffentlicht. Diese sei ein „Win-Win-Win für Klima, Natur und für unsere Landwirtschaft“, schreibt der frühere Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Vorwort.
Agri-Photovoltaik kombiniert Energiegewinnung und Tierwohl
Erprobt werden Photovoltaik-Anlagen auch über Wiesen, die von Rindern, Schafen oder Hühnern beweidet werden. Eine Anlage für Legehennen wird in Schöntal im Hohelohekreis getestet. Die Module schützen die Tiere vor Witterungseinflüssen wie Regen, Wind und Hagel und reduzieren Hitzestress bei starker Sonneneinstrahlung. Außerdem sollen sie eine Barriere gegen Raubvögel wie den Habicht sein.
