Abtreibungsgegner bringen Trump in politische Bredouille
Die einflussreiche Anti-Abtreibungs-Organisation “Live Action” wendet sich mitten im US-Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump ab. Verliert der Kandidat den Rückhalt einer wichtigen Wählergruppe?
Lila Rose geht mit Donald Trump hart ins Gericht. Der Zickzackkurs des republikanischen Präsidentschaftskandidaten in Sachen Abtreibung sei “sehr dumm”, empört sich die Wortführerin der US-Abtreibungsgegner im Interview der Zeitung “Politico”. Trump fehle es bei diesem Thema offenbar an Prinzipientreue.
“Ein Trump-Sieg ist zu diesem Zeitpunkt kein Sieg für das Leben”, legte die telegene 36-Jährige in einer späteren Erklärung nach. Bisher steht Rose mit ihrer öffentlichen Kritik an Trump noch weitgehend allein im sogenannten Pro-Life-Lager. Doch es grummelt auch in anderen Organisationen, die vor allem aus taktischen Gründen die Füße stillhalten. Trump im Weißen Haus sei für die Bewegung immer noch besser als die demokratische Konkurrentin Kamala Harris, so das Kalkül.
Aber Rose hat als Gründerin der Organisation “Live Action” genügend Einfluss, um andere Verbündete aus der Reserve zu locken. Die in einem protestantischen Elternhaus aufgewachsene und später zum Katholizismus konvertierte Frau begann ihr politisches Engagement schon als Teenager. Zusammen mit dem rechtsgerichteten Aktivisten James O’Keefe sorgte sie mit verdeckt gedrehten Videos aus Abtreibungskliniken für Aufsehen.
Rose bringt Trump mit ihrer Abkehr zwei Monate vor den Wahlen in die Bredouille. Einerseits braucht er die Unterstützung von Abtreibungsgegnern und Evangelikalen, die im Wahlkampf zu seinen treuesten Anhängern zählen. Andererseits zählt der Zugang zu straffreien Schwangerschaftsabbrüchen in Umfragen zu den wichtigsten Anliegen der weiblichen Wählerschaft. Trumps Haltung dazu könnte am 5. November über Sieg und Niederlage entscheiden.
Dass er zuletzt mit häufig wechselnden Botschaften für Schlagzeilen sorgte, hilft ihm nicht, Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Wähler aus dem Pro-Choice-Lager, die für eine möglichst liberale Regelung eintreten, kann er ohnehin kaum überzeugen. Zugleich schaden ihm Distanzierungsversuche an der Basis radikaler Abtreibungsgegner.
Beispiel Florida: Ende vergangener Woche erklärte Trump, die Sechs-Wochen-Frist, innerhalb der Abtreibungen in dem Bundesstaat straffrei bleiben, sei zu kurz. Danach gefragt, ob er ein Referendum unterstütze, das ein Recht auf Schwangerschaftsabbrüche vorsehe, wich er zunächst aus. Anführer des Pro-Life-Lagers liefen hinter den Kulissen Sturm. Sie warnten Trump, womöglich dem Beispiel von Rose zu folgen. Wenig später erklärte er, nicht gegen die Sechs-Wochen-Frist zu stimmen.
Im Frühjahr liebäugelte Trump zunächst mit der Idee einer landesweiten 15-Wochen-Fristenregelung. Im April erklärte er dann, er wolle die Zuständigkeit für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen doch lieber bei den einzelnen Bundesstaaten belassen. Dort liegt sie wieder seit 2022, als der US-Supreme-Court entschied, dass aus der Verfassung kein Grundrecht auf Abtreibung abgeleitet werden könne.
Für Irritationen sorgt Trump auch mit seinen wechselnden Positionen zur Abtreibungspille. Nachdem er zunächst ein nationales Verbot für den Postversand entsprechender Präparate durchsetzen wollte, unterstützt er dies nun nicht mehr. Zudem ist er neuerdings ein Befürworter der künstlichen Befruchtung: Als Präsident werde er dafür sorgen, dass gegebenenfalls entweder der Staat die Kosten für eine solche Behandlung übernehme – oder die Versicherungen.
Ein Blick zurück zeigt, dass Trump in der Vergangenheit bereits sehr unterschiedliche Positionen in der Abtreibungsfrage vertreten hat. Genau daran wird Gegenspielerin Kamala Harris die Wähler erinnern. Unter anderem mit einer Bustour für “reproduktive Freiheit”, die an diesem Dienstag vor Trumps Haustür in Palm Beach beginnen und durch alle 50 Bundesstaaten führen soll.
Lila Rose will ihre Wahlentscheidung derweil davon abhängig machen, ob Trump auf der Zielgeraden des Wahlkampfs zu einem klaren Kurs zurückfinde. Ihren Anhängern rät sie, das Gleiche zu tun. Wer die Ziele der Bewegung verrate, könne nicht mit endloser Loyalität rechnen, gibt sie Trump mit auf den Weg.