Artikel teilen:

Abschied von Hark Bohm

Seine Kindheit ist derzeit in den Kinos im Film „Amrum“ zu sehen, verfilmt von seinem Freund Fatih Akin. „Der Leuchtturm ist erloschen“, schrieb Akin auf Instagram, wo er Bohm als „Freund und Meister“ bezeichnete. Hark Bohm, der vor allem als Regisseur bekannt wurde, starb 86-jährig am Freitag in Hamburg. Der deutsche Film verdankt ihm viel, nicht zuletzt durch seine filmpolitischen Aktivitäten, die nicht so im Rampenlicht standen wie seine Auftritte als Schauspieler und Regisseur.

Akin hatte den Freund, Mentor und Co-Autor von „Aus dem Nichts“ und „Tschick“ dazu angestiftet, etwas Ähnliches mit seiner Kindheit zu versuchen, wie etwa Steven Spielberg in „The Fabelmans“ und Alfonso Cuarón in „Roma“: ein Fenster aufzustoßen zur Familiengeschichte. Als der 86-jährige Hark Bohm zu schwach wurde, um bei „Amrum“ selbst Regie zu führen, hat Akin freundschaftlich übernommen. Das Drehbuch verfassten beide gemeinsam.

Viele kannten Bohms Gesicht aus dem Kino oder dem Fernsehen – schmal, etwas zerfurcht, kurze Haare, Brille: Seit den 1960er Jahren spielte er in Dutzenden deutschen Filmen mit, oft bei Rainer Werner Fassbinder. Bekannt wurde er aber eher mit seinen Regiearbeiten.

Hark Bohm drehte Kinderfilme wie „Tschetan, der Indianerjunge“ (1973), aber auch den Jugendfilm „Nordsee ist Mordsee“ (1976), die türkisch-deutsche Liebesgeschichte „Yasemin“, 1988 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, oder Dokudramen über ebenso berühmte wie umstrittene Prozesse, etwa „Der Fall Bachmeier“ (1984) und „Vera Brühne“ (2001).

Er wurde am 18. Mai 1939 in Hamburg-Othmarschen geboren, wuchs auf der Insel Amrun auf, studierte Jura in München, machte 1966 das Staatsexamen, brach aber die Referendarausbildung ab, als er Kontakt zum Jungen Deutschen Film gefunden hatte. Er spielte gleich kleine Rollen bei Alexander Kluge, zum Beispiel in „Der große Verhau“, und bei Rudolf Thome in „Rote Sonne“.

Von 1970 („Der amerikanische Soldat“) bis 1981 („Lola“) stand er in zwölf Fassbinder-Filmen vor der Kamera, auch in „Berlin Alexanderplatz“ (1980). Bohm, der nie eine Ausbildung gemacht hatte,
war als Schauspieler ein Naturtalent. Fassbinder hat ihm genau die kleinen, prägnanten Rollen gegeben, die ihm lagen: „Meine Paraderollen sind der Buchhalter aus ‘Maria Braun’, der Apotheker in ‘Effi Briest’ und der unscheinbare Pianist in ‘Lili Marleen’.“

Bohms filmpolitische Arbeit begann 1971, als er Mitbegründer des Filmverlags der Autoren in München war – für einige Jahre ein unentbehrlicher Produzent und Verleih des Neuen Deutschen Films. 1979 war er auch an der Gründung des Hamburger Filmbüros beteiligt und danach half er, das Hamburger Filmfest zu etablieren. Der wichtigste Impuls für den deutschen Film aber war Bohms Plädoyer für das Erzählkino. Sein Appell richtete sich nicht gegen das experimentelle und dokumentarische Kino. Das Erzählkino, das die Zuschauer wirklich erreicht, müsse aber der Hauptstrom der Produktion sein.

Bohm beließ es nicht bei diesem Plädoyer, er versuchte die Filmausbildung in seinem Sinne zu verändern. 1993 gründete er zusammen mit dem Theatermann Jürgen Flimm einen Filmstudiengang an der Universität Hamburg, der 2004 in die Hamburger Media School integriert wurde. Bohm leitete das sehr praxisorientierte Studium bis 2005.

In seinen letzten Lebensjahren engagierte sich Hark Bohm politisch: 2013 gründete er zusammen mit Hardy Krüger, Klaus Bednarz und Dieter Hallervorden die Initiative „Gemeinsam
gegen rechte Gewalt“.

Der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD) würdigte den Verstorbenen: „Für mich ist der deutsche Film der letzten Jahrzehnte ohne Hark Bohm nicht denkbar“, erklärte er am Freitagabend. Hark Bohm habe es verstanden, aus einer enormen Spannung zwischen Härte und Sensibilität „große Kinokunst“ zu schaffen.

„Darüber hinaus prägte Hark Bohm die Filmstadt Hamburg mit Charakter und Charisma“, fügte Brosda hinzu. Viele Institutionen – von Filmförderung über Filmfest bis zum Filmstudium – gingen auf seine Initiative zurück. „Hark Bohm hat sich um den Film und um Hamburg verdient gemacht.“ Helge Albers, Geschäftsführer der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, teilte mit: „Eine Ikone des Filmstandorts Hamburg ist von uns gegangen.“