Abschiebung unter Beobachtung

Ihre Arbeit beginnt am Flughafen Leipzig-Halle. Bettina Wagner (Name von der Redaktion geändert) ist häufig dabei, wenn Menschen aus Sachsen abgeschoben werden. Sie beobachtet Maßnahmen der Behörden, die Art und Weise des Umgangs mit Menschen, die zwangsweise ausreisen müssen.

Als Abschiebungsbeobachterin dokumentiert sie das Geschehen und berichtet später in einem Forum darüber. Dort beraten Behördenvertreter ebenso wie Mitarbeitende von Wohlfahrtsverbänden, Menschenrechtsorganisationen und Kirchen miteinander. Die Runde trifft sich mindestens viermal im Jahr zum Austausch.

Monitorings an Flughäfen sollen helfen, Abschiebungen sensibler zu gestalten. Denn noch immer kommt es laut Beobachtern bei behördlichen Maßnahmen zu Verletzungen von Menschenrechten. Demnach werden mitunter schwer kranke, auch psychisch erkrankte Menschen abgeschoben, ohne zu wissen, ob eine weitere Behandlung erfolgt. Auch fehlt es laut Berichten oft an einer Beurteilung zum Gesundheitszustand durch unabhängige Fachärzte. Häufig kommt es zudem vor, dass Betroffene persönliche Gegenstände nicht mitnehmen dürfen oder mittellos an den Flughafen gebracht werden.

Bettina Wagner ist die erste und bisher einzige Abschiebungsbeobachterin in Sachsen. Bundesweit arbeiten etwa zehn Menschen für das Monitoring. Oft sind es Psychologen, Juristen oder Sozialarbeiter. Sie versuchen, bestimmte Standards durchzusetzen, dazu zählt auch eine sprachliche Verständigung mittels Dolmetscher.

Der Ausländerbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Albrecht Engelmann, betont, Aufgabe des Monitorings sei der Einsatz für einen menschenwürdigen Umgang und der „unabhängige Blick von außen“. Er ist Moderator und Sprecher des Forums zur Abschiebungsbeobachtung in Sachsen. Engelmann weiß auch um die aufgeladene Diskussion zum Begriff der „Rückführungen“ – wie staatliche Behörden Abschiebungen offiziell nennen. Mit Blick auf manche Maßnahmen appelliert er vor allem an Humanität und Augenmaß.

Auch scheinbar kleine Schritte seien wichtig. So hat Wagner zum Beispiel erreicht, dass sich Kinder bei Sammelabschiebungen auf dem Leipziger Flughafen bis zum Abflug in einem geschützten Raum aufhalten können. Die Mitarbeiterin der Diakonie Leipzig beobachtet Einzelabschiebungen und Sammelabschiebungen. Letztere erforderten wegen der Beteiligung von meist mehreren Bundesländern ein besonderes Augenmerk, sagt sie. Bis zur Tür des Flugzeugs darf die Beobachterin die Menschen begleiten.

Nicht erlaubt ist ihr, in die Maßnahmen der Behörden einzugreifen. „Ich darf aber Fragen stellen und auf kritische Punkte aufmerksam machen“, sagt die junge Frau. Auch nehme sie eine Risikoeinschätzung vor. Ob unter bestimmten, nicht vorhersehbaren Umständen eine Maßnahme abgebrochen wird oder nicht, sei allerdings Aufgabe der Bundespolizei.

Ob und wann die Beobachterin dabei sein kann, erfährt sie jeweils kurzfristig. Sie wird von der Bundespolizei über eine geplante Abschiebung informiert. Bei ihren Einsätzen werde sie von den Betroffenen unter anderem zur medizinischen Versorgung, zu Geldleistungen oder Familienzusammenhängen gefragt.

Aber längst nicht bei allen Abschiebungen ist Wagner dabei. Auch darf die Beobachterin nicht vor Ort sein, wenn die Betroffenen aus ihren Wohnungen oder Unterkünften abgeholt werden. Es bleibe ein dringendes Anliegen, dies auch zu ermöglichen, sagt sie. Denn mit Transparenz könnten Behörden ein Signal setzen. Gerade bei Abholungen würden immer wieder Probleme bekannt, sagt Wagner. Menschen würden zum Beispiel aus der Abschiebehaft ohne Gepäck an den Flughafen gebracht, zur Nachtzeit abgeholt oder seien anderen Schikanen ausgesetzt.

Eingeführt wurde das bundesweite Monitoring als Reaktion auf den Tod eines Mannes während eines Abschiebeflugs von Frankfurt am Main über Kairo nach Khartum im Sudan im Jahr 1999. Seit 2001 garantieren kirchliche Werke wie Diakonie und Caritas eine unabhängige Abschiebungsbeobachtung an verschiedenen Flughäfen. Damit erfüllen sie die Aufgaben eines geforderten Rückführungsmonitorings, wie es 2008 in einer Richtlinie der Europäischen Union festgehalten wurde, aber in Deutschland bislang nicht in nationales Recht umgesetzt wurde.