Ab Januar erhalten Versicherte die elektronische Patientenakte
Seit Jahrzehnten ist sie Thema. Jetzt wird es ernst mit der elektronischen Patientenakte. Sie soll das Gesundheitswesen verändern.
Ab 2025 sollen alle gesetzlich Versicherten automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA) bekommen – außer, sie widersprechen aktiv. Krankenkassen versenden dazu derzeit Informationsbriefe. Was könnte sich mit der ePA verbessern? Was sagen Datenschützer? Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Daten und Fakten.
Die elektronische Patientenakte (ePA) soll die bisher an verschiedenen Orten wie Praxen und Krankenhäusern abgelegten Patientendaten digital zusammentragen und ein Ende der Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen bringen. Notfalldaten, Laborwerte, Röntgenbilder, Arztbriefe, Befunde und Medikationspläne, aber auch der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft können dann elektronisch archiviert und schnell abgerufen werden. Langfristig sollen Patienten auch ihre durch Fitnesstracker gewonnenen Gesundheitsdaten – Blutzuckerwerte, Blutdruckmessungen – in der ePA einspeichern können. Rund 200.000 Leistungserbringer – Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheker, Pflegeheime und andere Gesundheitseinrichtungen – sollen durch die ePA besser vernetzt werden und haben dann schnell Zugriff auf alle relevanten Daten.
Ziel ist es, wichtige Informationen zur Gesundheit des Patienten ein Leben lang digital zu speichern, damit sich Ärztinnen und Ärzte im Notfall schnell einen Überblick über die Krankengeschichte verschaffen können. Auch sollen unnötige Doppeluntersuchungen und unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen vermieden werden. Mit der Speicherung das Gesundheitswesen effektiver, schneller, unbürokratischer und damit auch kostengünstiger gemacht werden. Dass Krankenberichte oder Röntgenbilder von Kliniken zu Arztpraxen gefaxt oder per Post geschickt werden müssen, soll der Vergangenheit angehören.
An der ePA für die mehr als 73 Millionen gesetzlich Versicherten wird schon seit mehr als 20 Jahren gearbeitet. Seit dem 1. Januar 2021 bieten die Krankenkassen ihren Versicherten eine App zum Download an, mit der sie Zugang zur ePA bekommen. Ab Januar sollen alle Versicherten automatisch eine E-Akte bekommen – im ersten Monat in ausgewählten Modellregionen und ab Mitte Februar dann bundesweit.
Der Einführung waren jahrelanger Streit, viel Widerstand bei Ärzten und Datenschützern und viele technische Versuche vorausgegangen: Zentrale Konflikte waren der Aufbau sicherer Datenverbindungen, für alle gültige Sicherheitsstandards, die Kosten und der Datenschutz. Aus Sicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bedeutet die Einführung der Patientenakte einen Meilenstein bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens.
Im Prinzip sollen Patienten selber entscheiden, ob sie die elektronische Patientenakte nutzen und befüllen wollen. Bisher mussten sie sogar ausdrücklich zustimmen (Opt-in-Verfahren), wenn sie eine ePa haben wollten. Das hat allerdings dazu geführt, dass nur sehr wenige Versicherte sich dafür entschieden haben. Deshalb gilt mittlerweile eine sogenannte Widerspruchslösung (Opt-out): Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch mit dabei. Ob die Patienten diese Informationen nutzen, entscheiden sie selber. Versicherte können innerhalb von sechs Wochen, nachdem die Krankenkasse sie über die bevorstehende Einrichtung der ePA informiert hat, Widerspruch einlegen. Dann wird keine ePA für sie angelegt. Bislang haben das offenbar nur sehr wenige getan.
Die gesetzlichen Krankenkassen müssen ihren Versicherten eine App für die elektronische Patientenakte anbieten. Es gibt auch eine App-Version für den PC oder Laptop. Mit der App kann man Dokumente hoch- oder herunterladen, anzeigen, verbergen und löschen, Widersprüche erteilen oder Vertreter ernennen. Ebenso können die Besitzer Zugriffsberechtigungen und Zugriffsdauer von Ärzten, Apothekern oder Ähnliches festlegen. Eine Datenmitnahme bei Krankenkassenwechsel ist möglich.
Die Daten gehören den Patienten. Sie können deshalb auch bestimmen, ob und welche Informationen in der ePA gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen. Patienten können auch entscheiden, dass der Arzt in die Patientenakte nur hineinschreibt, aber nicht sieht, was dort schon enthalten ist. Sie können auch vorgeben, ob sie die Daten entweder nur für die aktuelle Behandlung oder für einen längeren Zeitraum (zum Beispiel in der Hausarztpraxis) freigeben.
Patientinnen und Patienten sollen auch bestimmen, ob für sie vielleicht problematische Informationen wie psychische Erkrankungen, Aids oder ein Schwangerschaftsabbruch in der ePA stehen. Deshalb können sie verschiedene Vertraulichkeitsstufen einstellen.
Patientinnen und Patienten müssen die medizinischen Daten mittels ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) freigeben. Ärztinnen und Ärzte benötigen für den Zugriff einen zweiten Schlüssel, nämlich ihren Heilberufsausweis und ebenfalls eine PIN. Wer als Patient selber Zugriff zu seinen Daten haben will, muss eine entsprechende App seiner Krankenkasse herunterladen.
Der Zugriff auf die ePA erfolgt über die Telematikinfrastruktur, ein Netzwerk, das in sich geschlossen und sicher sein soll. Niemand außer der oder dem Versicherten und denjenigen, die von diesen zum Zugriff berechtigt wurden, können die Inhalte lesen, auch die Krankenkassen nicht. Sie sollen weiterhin nur Zugriff auf die Abrechnungsdaten haben. Datenschützer verweisen jedoch auf mögliche Hacker-Angriffe.
Der Kölner Krebsforscher und neue Vorsitzende des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege, Michael Hallek, sagte dazu, Deutschland sei aus Datenschutzgründen etwa in der Krebsforschung dramatisch zurückgefallen. Gesundheitsdaten seien derzeit die wichtigste Quelle für neue Forschung. Lauterbach betont, es gebe schon jetzt eine riesige Menge Daten, die aber in getrennten Silos lägen und nicht miteinander verknüpft werden könnten. Um das zu ändern, soll unter anderem eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die einen Zugang zu pseudonymisierten Daten aus verschiedenen Quellen wie Krebsregistern, Krankenkassendaten und Daten aus der elektronischen Patientenakte ermöglichen soll. Patienten sollen der Nutzung ihrer Daten zu Forschungszwecken aber auf der ePA widersprechen können.