500 Jahre Bibel – musikalisch umgesetzt

Die Orgelspiele Mecklenburg-Vorpommern finden im Mai in mehreren Kirchen statt. Das Thema in diesem Jahr: „Wendepunkte“, eine Idee, die auf die Bibel zurückgeht.

Die Grüneberg-Orgel in Ranzin wird am Samstag, 28. Mai erklingen
Die Grüneberg-Orgel in Ranzin wird am Samstag, 28. Mai erklingenHans-Joachim Kohl

Selmsdorf/Güstrow. Viele Orgeln aus dem 19. und 20. Jahrhundert können Besucher bei den diesjährigen Orgelspielen Mecklenburg-Vorpommern erleben. Von Donnerstag, 12. Mai, bis Sonntag, 29. Mai, erklingen Orgeln von Barnim Grüneberg, Friedrich Albert Mehmel, Friedrich Friese II und III,Friedrich Hermann Lütkemüller, Friedrich Wilhelm Winzer und Friedrich Ladegast. Eine ganz seltene Paul-Rother-Orgel wird in der Kirche Zehna zu hören sein. Gleich drei namhafte Orgelbauer – Carl August Buchholz, Wilhelm Sauer und Barnim Grüneberg – bauten von 1831 bis1915 an der Orgel in der St. Nicolaikirche in Gützkow. Hier wird am Sonntag, 29. Mai, um 14.30 Uhr Krzysztof Urbaniak das Abschlusskonzert spielen.

Den Anfang der diesjährigen Orgelspiele macht aber am Donnerstag,12. Mai, um 19.30 Uhr das programmatische Konzert „Luther Sermones Symphoniaci“ in der Dorfkirche Selmsdorf mit dem renommierten Bariton Klaus Mertens aus Sinzig am Rhein. Am Tag darauf wird es am Vormittag Führungen für Kinder und Jugendliche zur Orgel von Barnim Grüneberg von 1869 geben. Die Freude und Begeisterung über die Orgelspiele zeigt sich auch bei den drei Hauptverantwortlichen Andrea Aßelborn, Vorsitzende des Vereins „Windladen e.V.“, dem Leiter des Mecklenburger Orgelmuseums und Orgelsachverständigen im Kirchenkreis Mecklenburg Friedrich Drese und dem künstlerischen Leiter der Orgelspiele, Franz Danksagmüller.

Aktuelle Musik fließt ein

Das diesjährige Thema „Wendepunkte“ war seine eine Idee. Danksagmüller ist Professor an der Musikhochschule Lübeck. „Hinter ‚Wendepunkte‘ steht das geistliche Thema der 500 Jahre Bibelübersetzung Martin Luthers“, erzählt Friedrich Drese, der Leiter des Orgelmuseums in Malchow, „ein Wendepunkt in der Kirchengeschichte“. So tauchen in den Programmen der Konzerte oft Texte und Lieder von Martin Luther auf. „Aber Franz Danksagmüller möchte immer wieder aktuelle Musik einfließen lassen“, meint Drese. Ein breites Spektrum an Musik ist an vierzehn Orten zwischen Schönberg und Jarmen zu erleben.

Goldbug / Pixabay

Neben bedeutenden historischen Kompositionen sind mehrere Uraufführungen zu erleben, aber auch Improvisationen – Musik, die im Moment des Konzertes an den historischen Orgeln entsteht. Das Festival bietet jungen Komponistinnen und Komponisten die Gelegenheit, eigene Werke aufzuführen. Gepflegt wird dabei der Kontakt zu den Musikhochschulen Lübeck, Hamburg, Rostock, Berlin und Lodz. Studierende musizieren als Organisten, Percussionisten, Streicher und Bläser. „Wir möchten Kirchenmusiker als Persönlichkeiten ausbilden, dass sie in der Lage sind, eigene Musik zu machen“, sagt Franz Danksagmüller. Dem künstlerischen Leiter der Festspiele sei die internationale Vernetzung und Ausbildung ein wichtiges Anliegen. So wird in Herrnburg am Samstag, 14. Mai, um 19.30 Uhr die Lübecker Studentin, Organistin und Komponistin Sarah Proske einen kompletten Evensong – Abendlob – präsentieren.

Die Idee zur Spielreihe entstand beim Schönberger Musiksommer vor sechs Jahren, sagt Andrea Aßelborn. „Im Grunde genommen hütet jede Dorfkirche mit ihrer Orgel ein Weltkulturerbe“, meint sie. „Die Orgeln sind zumeist in ihrem ursprünglichen Zustand so geblieben, wie sie sind. Es sind auch vergessene Orgeln. In anderen Teilen Deutschlands wurden sie restauriert und modernisiert, was nicht immer gut war. So sind historische Instrumente dem Zeitgeschmack zum Opfer gefallen.“ Andrea Aßelborn möchte mit dem Wind der durch die Orgeln streift und die Pfeifen zum Klingen bringt, sinnbildlich wieder mehr Wind in die Dörfer bringen, so wie in die Kirche von Zehna.

Besondere Orgel

Hier steht eine besondere Orgel: Das einzige Instrument vom Hamburger Orgelbauer Paul Rother. „Sie ist zugleich auch die jüngste Orgel der diesjährigen Orgelspiele aus dem Jahr 1919“, so Drese und weiter: „Das konnte man dort nur, weil der Patron der Kirche, ein Hamburger Arzt, die Orgel finanziert hat. Von Paul Rother sind fast keine Instrumente mehr erhalten, auch nicht in Hamburg. Da ist die Orgel in Zehna also in doppelter Weise ein sehr interessantes Stück, in Mecklenburg die einzige und aus dem Gesamtwerk von Rother eine der ganz wenigen erhaltenen.“