40 Jahre Kirchenasyl: Bewahrenswerter Schutzraum für Geflüchtete

Für Flüchtlinge ist es oft die letzte Rettung vor einer drohenden Abschiebung: Das Kirchenasyl. In Deutschland feiert die Kirchenasylbewegung in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen.

Seit 1983 bietet das Kirchenasyl Geflüchteten Schutz vor dem Zugriff der Behörden
Seit 1983 bietet das Kirchenasyl Geflüchteten Schutz vor dem Zugriff der Behördenepd-bild / Hans-Jürgen Bauer

Vor 40 Jahren startete die Kirchenasylbewegung in Deutschland. Dies sei ein Grund zum Feiern, wenn auch nicht unbeschwert, sagte die Vorstandsvorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG), Dietlind Jochims, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu bestünde erst wirklich Anlass, wenn kein Kirchenasyl mehr notwendig wäre, so die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche mit Sitz in Hamburg. Wütend mache sie, „wie verbreitet, bekannt und hingenommen Gewalt in Europa inzwischen ist, wenn es darum geht, Geflüchtete fernzuhalten“.

Das bundesweit erste Kirchenasyl gewährte 1983 die evangelische Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin-Kreuzberg einer palästinensischen Familie. Aktuell wisse Jochims von bundesweit 431 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 655 Personen, darunter etwa 136 Kinder (Stand: 10. August). 405 der Kirchenasyle seien sogenannte Dublin-Fälle – den Betroffenen droht die Rückführung in jenes europäische Land, in dem sie zuerst einen Asylantrag gestellt haben.

Kirchenasyl: Gegenwind wird schärfer

Behörden reagieren laut Jochims unterschiedlich darauf, dass Kirchengemeinden Kirchenasyl gewähren. Die Bandbreite reiche „von offener Ablehnung bis hin zu Erleichterung, dass Kirchen hier etwas tun, was staatliche Organe nicht tun können.“ Im Allgemeinen werde Kirchenasyl zwar toleriert, „es ist aber zu beobachten, dass der Gegenwind schärfer wird“.

Geflüchtete Menschen nutzen das Kirchenasyl, um nicht im Rahmen des Dublin-Abkommens abgeschoben zu werden
Geflüchtete Menschen nutzen das Kirchenasyl, um nicht im Rahmen des Dublin-Abkommens abgeschoben zu werdenepd-bild / Hans-Jürgen Bauer

Die aktuelle politische Diskussion um eine Abschiebungsverschärfung ausreisepflichtiger Ausländer hält Jochims für eine „Scheindebatte“. Eine Regelverschärfung werde das Vollzugsdefizit nicht lösen, sagt sie. Maßnahmen wie eine Erleichterung und Ausweitung von Abschiebehaft seien „ineffizient, sehr teuer, häufig nicht rechtskonform und grundsätzlich abzulehnen“. Eine Veränderung des Stimmungsbilds gegenüber Asylsuchenden nimmt Jochims auch innerhalb der Bevölkerung wahr. Zwar gebe es nach wie vor eine aktive Zivilgesellschaft, diese sei aber vermutlich kleiner geworden und sie werde sicher weniger gehört.

Flüchtlingsbeauftragte: Kirchenasyl mehr respektieren

Jochims wünscht sich von der europäischen Staatengemeinschaft, dass diese das „dysfunktionale Dublin-System in Richtung eines echten Flüchtlingsschutzes“ ändert. Sie beklagt, dass es in Deutschland jüngst mehrere Versuche gegeben hat, Abschiebungen aus dem Kirchenasyl durchzusetzen. „Wir fordern und hoffen sehr, dass der Schutzraum Kirchenasyl (auch) zukünftig respektiert wird“, sagt die BAG-Vorstandsvorsitzende.

Am 30./31. August findet in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche eine Tagung „40 Jahre Kirchenasyl: Ultima Ratio und widerständige Praxis“ statt. Veranstalter sind die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg und die Evangelische Akademie zu Berlin. Auf dem Programm stehen Workshops und Podiumsdiskussionen. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, will am Abend des ersten Tages einen Festgottesdienst feiern.