3sat zeigt Kriegsdrama über den Angriff auf eine Nonnenschule
Anfang 1945 soll die Royal Air Force auf Bitten des dänischen Widerstandes in Kopenhagen die Zentrale der Gestapo angreifen. Durch einen Irrtum gerät dabei aber auch eine von Nonnen geführte Schule unter Beschuss.
Stille in einer Idylle verheißt meist nichts Gutes. Ein Junge radelt in einer herbstlichen Hügellandschaft. Ein Auto mit drei Frauen und einem älteren Fahrer fährt hier entlang; nur das Pfeifen des Jungen ist zu hören. Die bedrohliche Spannung löst sich bald in einem Kugelhagel auf. Ein Flugzeug schießt von hinten auf den Wagen. Wenig später fährt der Junge vorbei, sieht das rauchende Wrack mitsamt den blutigen Spuren der toten Körper. Von da an wird er kein Wort mehr sprechen.
Der Handlung beginnt 1945 in Jütland. Das Land ist von den Deutschen besetzt. Wie sich herausstellt, galt der Angriff dem Wagen eines Gestapo-Offiziers. An seiner Stelle mussten unschuldige Zivilisten, die Teil einer Hochzeitsgesellschaft waren, ihr Leben lassen und der junge Henry (Bertram Bisgaard Enevoldsen) mit einem Trauma weiterleben.
Der dänische Film “Das Bombardement”, den 3sat am 30. August ab 22.30 Uhr zeigt, könnte trotz seines historischen Stoffes angesichts des Krieges in der Ukraine aktueller nicht sein. Der Kriegsfilm zeigt in aller Schonungslosigkeit, wie schwer die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sind.
Neben der Hinterfragung des zynischen Ausdrucks “Kollateralschaden” für zivile Kriegsopfer ist Regisseur und Drehbuchautor Ole Bornedal vor allem daran interessiert, unterschiedliche Perspektiven auf dasselbe Ereignis zu zeigen. Im Zentrum steht der Luftangriff der Royal Air Force auf die Zentrale der Gestapo in Kopenhagen, die “Operation Carthage” genannt wurde und auf Bitten des dänischen Widerstandes zustande kam.
Zwei britische Piloten sind an der Mission beteiligt. Sie waren es auch, die versehentlich den Hochzeitswagen angriffen. Aus Scham und Schrecken schauen beiden jungen Männer zu Boden, als sie von ihrem Chef davon erfahren. Der Krieg aus der Sicht der Luftwaffe distanziert die Angreifer von den Opfern. Fehler können passieren, und Menschlichkeit kann verloren gehen. Die beiden Piloten sind sich ihrer Schuld dennoch bewusst.
Einem dänischen Kollaborateur ist das Gewissen hingegen bereits abhandengekommen. Er prügelt auf Landsleute des Widerstandes ein und foltert sie. Erst ein Treffen mit der junge Ordensschwester Teresa (Fanny Bornedal) löst bei ihm Zweifel aus. Sie nennt ihn einen Teufel.
Teresa wiederum lebt in einem katholischen Kloster in Kopenhagen. Dorthin wird der traumatisierte Henry von seiner Mutter geschickt, die genauso wie der Arzt an der Sprachlosigkeit des Jungen verzweifelt. Das Kloster besucht Henry mit seiner Cousine Rigmor (Ester Birch) und der Mitschülerin Eva (Ella Josephine Lund Nilsson). Die Dänen sind sich der Gefahr nicht bewusst, obwohl die kirchliche Einrichtung unweit des Gestapo-Quartiers liegt. Vom Plan der Royal Air Force wissen sie nichts.
Der Film funktioniert nach dem klassischen Suspense-Prinzip, bei dem die Gefahr dem Publikum klargemacht, den Figuren aber vorenthalten wird. Der Weltkrieg ist durch die deutschen Invasoren äußerst präsent. Ein Zivilist, ein möglicher Anhänger des Widerstandes, wird bei einer Kontrolle auf offener Straße erschossen. Diesmal ist es das Mädchen Eva, die mit großen Augen unfreiwillig Zeugin wird. Und im Kloster diskutieren die Oberschwester und Teresa über die Deportation der jüdischen Bevölkerung.
Ole Bornedal findet trotz der deprimierenden und bedrohlichen Grundstimmung Raum für menschliche Zwischentöne. Einmal isst die Familie von Henry zu Abend, ohne über den Krieg zu reden. Der Mutter fällt ein kleines Wunder auf: “War das gerade ein Lächeln, Henry?”
Umso schmerzhafter verläuft dann das letzte Drittel des Films, als der Angriff beginnt und auch das Kloster getroffen wird. Bomben, Trümmer, Rauch, Schreie, Tränen, Blut. Ein Kind ist zwischen dem Schutt eingequetscht. Eltern suchen nach ihren Kindern und Kinder nach ihren Eltern. Die Gesichter sind mit Asche bedeckt. Es herrscht das pure Chaos.
“Das Bombardement” hätte wie sein Schluss insgesamt durchaus fragmentarischer ausfallen können. Durch die Parallelmontage verschiedener Handlungsstränge wird im Film eine gewisse Allwissenheit suggeriert. Auf der anderen Seite könnte man der konventionelleren Form aber zugutehalten, dass der Zweite Weltkrieg zugunsten einer allgemeingültigen Botschaft abstrahiert wird. Krieg verursacht immer Leid – ob die Angreifer ihre Opfer nun sehen oder nicht.