Urlaubsparadies erwartet eine Million Migranten

Eigentlich gilt Costa Rica als Musterland Mittelamerikas. Doch steigende Migrantenzahlen lösen immer mehr Besorgnis aus. Nun fordert die Regierung in San Jose internationale Hilfe.

Costa Rica hat in Europa einen ausgezeichneten Ruf: Das Land gilt als “Schweiz Mittelamerikas”, als Vorreiter bei Wiederaufforstung und Umweltschutz sowie als friedliches Vorzeige-Modell, weil es auf eine eigene Armee verzichtet. Doch zuletzt verschlechterte sich die Stimmungslage im Land. Immer mehr Drogenkriminalität, eine steigende Mordrate und eine wachsende Zahl von Migranten, die das Land durchqueren oder bleiben, bestimmen die innenpolitische Debatte.

Die Lage “überschreitet die Grenzen der Vernunft”, wurde jüngst Costa Ricas Außenminister Arnoldo Andre Tinoco in lokalen Medien zitiert. Anlass ist die Prognose, dass Costa Rica allein in diesem Jahr mit der Aufnahme von einer Million Migranten rechnet. Diese Zahl entspreche fast einem Fünftel der einheimischen Bevölkerung, rechnet Tinoco vor. Seine Forderung: Costa Rica braucht regionale und internationale Unterstützung.

Das Land steht gleich vor zwei humanitären Herausforderungen. Wegen Verfolgung der Opposition im benachbarten Nicaragua kamen seit Ausbruch der dortigen Sozialproteste, die von der sandinistischen Regierung gewaltsam niedergeschlagen wurden, Hunderttausende Migranten über die Grenze. Derzeit wird die Zahl der in Costa Rica lebenden Nicaraguaner schon auf rund eine Million geschätzt.

Zudem ist Costa Rica Durchgangsstation für die durch den Darien-Dschungel zwischen Kolumbien und Panama überwiegend aus Venezuela fliehenden Menschen. Laut Zahlen der Behörden durchquerten allein 2023 mehr als 500.000 die lebensgefährliche Wildnis.

Vor wenigen Tagen meldeten mittelamerikanische Medien, dass seit Jahresbeginn bis Mitte April bereits 120.000 Personen im Darien gezählt wurden. Die meisten haben das Ziel USA und ziehen daher von Panama durch Costa Rica in Richtung Norden. “Es handelt sich nicht um ein costa-ricanisches, sondern um ein internationales Problem”, sagte Außenminister Tinoco nun.

Mit Sorge sieht Costa Rica auch die Bemühungen Nicaraguas, die Beziehungen zu Ländern wie Russland und Iran zu stärken. Das seien zwei Mächte, die nach Tinocos Einschätzung zu “einem destabilisierenden Faktor” für die gesamte Region werden könnten. Nicaragua habe bereits Militärberater stationiert und 50 Panzer aus Moskau gekauft.

Hinzu kommt eine schwierige wirtschaftliche Entwicklung, die das Klima für Migranten in Costa Rica noch schwieriger werden lässt. Die Entwicklung des Dollar-Kurses setzt die einheimische Wirtschaft zunehmend unter Druck.

Die costa-ricanische Kammer der Exporteure (Cadexco) äußerte vor wenigen Tagen ihre Besorgnis über die “kritische Situation” des Sektors, die zur Schließung von Unternehmen und zum Verlust von Arbeitsplätzen geführt habe. “Dies sind alarmierende Anzeichen einer Krise, die eine dringende und energische Antwort erfordert”, heißt es in einem Dokument, aus dem die Zeitung “Nacion” zitierte.

Für die von Firmenschließungen Betroffenen seien die Folgen gravierend: “Leider können die Menschen im Agrarsektor, die ihren Arbeitsplatz verlieren, nicht in andere, technisiertere Produktionszweige abwandern und haben auch nicht die Möglichkeit, in andere Teile des Landes zu ziehen, um dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen”, lautet die düstere Prognose der Handelskammer.

Das innenpolitische Klima ist zunehmend gereizt. Die Politik flüchtet sich bisweilen in ausländerfeindlichen Populismus. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst kritisierte jüngst im Zusammenhang mit der Ermordung eines Polizisten, dass Präsident Rodrigo Chaves das Verbrechen mit Migrationsfragen in Verbindung gebracht habe. “Dass eine bestimmte Tat benutzt wurde, um einen allgemeinen Rundumschlag gegen Menschen verschiedener Nationalitäten zu rechtfertigen, die auf der Suche nach internationalem Schutz, Arbeitsmöglichkeiten und Familienzusammenführung nach Costa Rica gekommen sind”, sei bedauerlich, beklagte der Orden.