ZDFneo: „Northern Lights“ bietet mehr als gute Unterhaltung

Der irische Schauspieler und Theaterautor Stephen Jones legt mit „Northern Lights“ eine ebenso unterhaltsame wie nachdenklich stimmende Serie vor. ZDFneo zeigt sie.

Lloyd (Stephen Jones) und Áine (Elva Trill) stehen im Regen
Lloyd (Stephen Jones) und Áine (Elva Trill) stehen im RegenZDF / Deadpan Pictures

Der strömende Regen konnte den Dubliner Lloyd (Stephen Jones) nicht abhalten, das Pub-Konzert seines Freundes Baz (John Doran) zu besuchen. Der widmet Lloyd sogar einen Song. Und berührt dessen Innerstes dermaßen, dass Lloyd nicht anders kann als davonzustürmen. Warum das so ist, wird sich noch zeigen in der neuen Serie „Northern Lights“, die ab Dienstag, 19. März, um 23.10 Uhr auf ZDFneo läuft.

Auf der Grattan Bridge geht Lloyd an einer geistesabwesend wirkenden jungen Frau (Elva Trill) vorbei, beachtet sie aber erst gar nicht. Im Kiosk holt er eine Flasche Wein, läuft nochmals an der rothaarigen Frau in den Schlangenmuster-Jeans und dem Led-Zeppelin-Shirt unter der Lederjacke vorbei, die sich schutzlos dem Regen aussetzt. Lloyds Wohnung bietet einen Ausblick auf den Fluss und die Brücke. Seine Flasche Wein ist schon angebrochen – und die durchnässte Frau namens Aine steht immer noch am Brückengeländer.

„Northern Lights“ und eine wunderbarer Freundschaft

Lloyd geht hinaus zu ihr, spricht sie an. Sie reagiert schroff, er bleibt hartnäckig. „Ich würde Sie ja in Ruhe lassen, es ist nur total schräg, wenn jemand so lange an einer Stelle steht. Im Regen, auf ’ner Brücke. Verstehen Sie, was ich meine?“

Aine versteht ihn besser, als er in diesem Moment ahnen kann. Sie hingegen weiß nicht, dass seine Besorgnis gewissen Erfahrungen entspringt. Seine unschuldig-herzliche Art bringt sie dazu, ihre spröde Art abzulegen und ihn zu bitten, sich bei ihm abtrocknen zu dürfen. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Áine (Elva Trill) denkt sich für Harry (Ben Colgan), den kleinen Neffen ihres Freundes Seán, lustige Geschichten aus
Áine (Elva Trill) denkt sich für Harry (Ben Colgan), den kleinen Neffen ihres Freundes Seán, lustige Geschichten ausZDF / Deadpan Pictures

Hauptdarsteller Stephen Jones schrieb die Drehbücher zu den sechs Folgen der irisch-belgisch-deutschen Serie „Northern Lights“ auf Basis seines gleichnamigen, von der Kritik lobend aufgenommenen Zwei-Personenstücks, das 2018 Premiere hatte. Eher ungewöhnlich, dass jemand auf den Gedanken kommt, aus einem solchen Kammerspiel eine Fernsehserie zu entwickeln. Ailish McElmeel von der Produktionsfirma Deadpan Pictures hatte ihn und setzte ihn um. Eine mutige Idee – und, wie sich zeigt, eine gute, die einmal mehr beweist, dass Serienqualität nicht vom Produktionsaufwand abhängt. Vielmehr kann das Gegenteil eintreten, wenn Protzigkeit den Inhalt erschlägt.

Stephen Jones ist ein erfahrener Schauspieler, als Drehbuchautor war er Debütant. Umso bemerkenswerter, wie es ihm gelungen ist, ein intimes Szenario zu einer vollständig gelungenen Serie auszubauen. Er fügt Figuren hinzu, erzählt die Vorgeschichten der beiden Hauptprotagonisten in sparsam eingesetzten Rückblenden. Er zieht eine Nebenhandlung ein, blendet immer wieder mal zu Lloyds Freundin Denise (Jennifer Heylen), die gerade den Jakobsweg erwandert und sich mit spirituellen Themen befasst.

Humor trägt zur Heilung bei

„Northern Lights“ fällt in die tragikomische Sparte. Stephen Jones verhandelt menschliches Unglück, Schuldgefühle, die Akzeptanz und Bewältigung von Kummer. Humor trägt zur Heilung bei. Der Karaoke-Fan Lloyd brachte schon Denise zum Lachen, später gelingt es ihm, Aine aufzumuntern, die aus ihrem Schmerz heraus eher zu verbalem Amok neigt und Freunde wie Familie verstört und zurückstößt.

Unaufdringlich setzt Jones Symbolik ein. Die Brücke zum Beispiel – der er tatsächlich die Idee für seinen Stoff verdankt: Sie vermag zu verbinden, kann aber auch dem Absprung in den Suizid dienen.

Jones‘ Drehbücher sind meisterhaft geschrieben und werden von exzellenten Schauspielern getragen. Die Inszenierung durch das dreiköpfige Regieteam, die von Stephen Jones ausdrücklich gerühmte Fotografie und Lichtführung der belgischen Kamerafrau Maxime Lahousse sowie die Musik des preisgekrönten Filmkomponisten Ruben De Gheselle, ebenfalls Belgier, machen die vom ZDF für ZDFneo koproduzierte Serie zu einem außerordentlichen Fernseherlebnis mit anhaltender Wirkung. „Northern Lights“ besitzt sogar die Stärke, Menschen mit ähnlichen seelischen Bürden ein wenig Kraft zu schenken.

„Northern Lights“ läuft auf ZDFneo ab Dienstag, 19. März, um 23.10 Uhr und ab 19. März in der ZDF-Mediathek.