“Ein Fall für Conti”: Arte-Krimi über Mann mit Doppelleben

Wer ist Frank Stolpe? Ein Mann mit mehreren Gesichtern und krimineller Energie, so viel wird schnell klar – aber ist er auch ein Mörder? Der zweite Fall für Anna Conti ist psychologisch knifflig.

Mark Waschke spielt Frank Stolpe
Mark Waschke spielt Frank StolpeZDF / Georges Pauly

Die Anwältin und ihr Mandant üben ein Schauspiel ein, die Juristin gibt Regieanweisungen: bei diesem Teil der Rede zum Zuschauerbereich umdrehen, weniger Tränendrüse, keine Pausen entstehen lassen – vor allem aber: ans “Skript” halten! Und Frank Stolpe erweist sich als gelehriger Schüler. Gut, ein bisschen dick trägt er bei der Gerichtsverhandlung dann schon auf. Trotzdem liegt der Saal dem charmanten Mann bereits nach kürzester Zeit zu Füßen.

Der Krimi “Ein Fall für Conti – Spieler”, den Arte am Freitag, 19. April, um 20.15 Uhr ausstrahlt, erzählt von einem schauspielerisch begnadeten Menschen mit mehreren Gesichtern. Sowie der Frage, was man einem solchen Menschen glauben kann – und darf.

Doppelleben mit zwei Familien

Dass Stolpe (Mark Waschke) über Jahre ein Doppelleben mit zwei Familien führte, dass er eine Bank überfiel – all das ist zu diesem Zeitpunkt bereits klar. Nicht aber, warum er sich zu der kriminellen Tat entschloss, ein ganz bestimmtes Schließfach aufbohrte, statt der viel teureren Uhren ausgerechnet ein Diadem mitgehen ließ. Und wie die hochprofessionelle Vorbereitung des Überfalls mit dem Bild eines von seinem Leben überforderten, spontan handelnden Menschen zusammenpasst, das Frank Stolpe vor Gericht zu geben sucht.

Staatsanwältin Henry Mahn (Malaya Stern Takeda) ist nicht überzeugt. Ganz im Gegensatz zu ihrer Anwaltskollegin Anna Conti (Desiree Nosbusch), Stolpes Verteidigerin, die fasziniert ist von ihrem zwischenmenschlich so geschmeidigen Klienten. Vermutlich erinnert er sie zudem ein bisschen an sich selbst: Auch Conti bezirzt ihr (Arbeits-)Umfeld gerne mit Sympathie und Zugewandtheit, weiß um ihre sozialen und kommunikativen Fähigkeiten.

Fall bringt Contis berufliches Selbstverständnis durcheinander

Dann aber taucht ein früherer Fall auf, ein Mordvorwurf: Ist Frank Stolpe nicht nur ein Blender und Bankräuber, sondern auch ein Mörder? Eine Wendung, die Contis Selbstsicherheit, ihren moralischen Kompass und ihr berufliches Selbstverständnis durcheinander bringt. Und die Mahn zu unprofessionellen Methoden verleitet: Die manipulative Macht des Angeklagten, sie reicht bis in die Köpfe und Herzen der Juristinnen hinein.

Staatsanwältin Henry Mahn (links) und Rechtsanwältin Anna Conti beraten über den Fall
Staatsanwältin Henry Mahn (links) und Rechtsanwältin Anna Conti beraten über den FallZDF / Georges Pauly

Drehbuchautor Lucas Thiem hat eine Story geschrieben, die vor allem in ihrer ersten Hälfte in den Bann zieht. So ist etwa der – von Regisseur Nathan Nill zudem flott und elegant in Szene gesetzte – Einstieg in den Film von einer geradezu sogartigen Kraft: in seiner effizienten Erzählweise, dem so rätselhaften wie packenden Geschehen, der Spannung erzeugenden Montage, dem herausragenden Spiel von Mark Waschke.

“Fesselnder Sog”

Es dauert, bis man aus diesem geschickt hergestellten, fesselnden Sog “erwacht”. So ähnlich mag es den Figuren rund um den sein Umfeld mit Charisma und Freundlichkeit einlullenden Frank Stolpe ergehen. Ein kluger Verweis des Films auf sich selbst, die in den Bann ziehende Wirkung der eigenen Hauptfigur.

Überhaupt spielt der zweite Film aus der “Ein Fall für Conti”-Reihe auf einer dezenten Metaebene mit der Mehrdeutigkeit von (Schau-)Spiel und Show – etwas, woran die Darsteller hier offensichtlich ihre (Spiel-)Freude haben. Neben den bereits Genannten sei auch Maximilian Mundt als Contis Assistent Carlo erwähnt: eine eindrückliche, feine Performance.

Zweite Hälfte wird schwerfälliger

In seiner zweiten Hälfte kippt der Krimi etwas zu sehr ins Psychologische, in langatmige Ausführungen von Gerichtspsychologen, wird schwerfälliger – was die Faszination ein wenig eintrübt. Die schwer greifbare, so interessant flirrende Figur des Frank Stolpe kommt sozusagen auf dem Boden der Tatsachen an.

Trotzdem bleibt “Spieler” spannend und kann im Übrigen auch mit einem eindrücklichen Soundtrack punkten, der die verschiedenen Tonlagen des Films – aufregend, melancholisch, abgründig – stimmig mitgestaltet. Bis hin zu dem trotzigen Lesley-Gore-Hit “You Don’t Own Me” (zu deutsch: “Du besitzt mich nicht”), den die beiden ungleichen Juristinnen, wie von einem langen, Kopf und Herz umschlingenden Alpdruck befreit, nach Abschluss des Falls in einer Karaoke-Bar anstimmen.

“Ein Fall für Conti – Spieler”: Freitag, 19. April, 20.15 Uhr, Arte