Kurzfilmtage eröffnen mit Debatte über Kulturbetrieb und Politik

Die 70. internationalen Kurzfilmtage Oberhausen eröffnen am Mittwoch mit einer Debatte über die politische Situation von Kulturbetrieben. Im Rahmen der Tagung „Sehnsucht nach Widerspruchsfreiheit“ diskutieren unter anderem der Kunsttheoretiker Bazon Brock, der Kulturmanager und documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann, die Schriftstellerin Ronya Othmann und Festivalleiter Lars Henrik Gass, wie die Kurzfilmtage am Dienstag ankündigten. Zur Eröffnung werden auch NRW-Kulturministerin Ina Brandes (CDU) und Andreas Görgen, Amtschef der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, erwartet.

Die diesjährigen Kurzfilmtage in Oberhausen sehen sich mit einer Kampagne konfrontiert, nachdem Gass öffentlich den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres sowie zunehmende Judenfeindlichkeit in Deutschland verurteilt hatte. In einem darauf veröffentlichtem offenen Brief anonymen Ursprungs wurde gefordert, das Festival zu boykottieren. Unterzeichnet wurde er von rund 1.900 Menschen aus der Filmbranche verschiedener Länder. Festivalleiter Gass, der in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Wichtigkeit kontroverser und differenzierter Debatten betonte, lädt nun auf das Podium zur Festivaleröffnung Befürworter und Gegner des Boykott-Aufrufs ein. Gass wird am 8. Juni in Bremen von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft mit der diesjährigen Ernst-Cramer-Medaille ausgezeichnet.

Zum Start der Kurzfilmtage, deren Schwerpunkt in diesem Jahr auf Sportfilmen liegt, gibt es Solidaritätsbekundungen, etwa von Walid Nakschbandi von der Film- und Medienstiftung NRW, vom Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung Felix Klein und von Jeannine Meerapfel, der Präsidentin der Berliner Akademie der Künste. Nakschbandi würdigte die „klare Haltung des Festivalleiters“. Klein unterstrich, dass der Kunst und Kultur für den Zusammenhalt der Gesellschaft die Funktion zukomme, Reflexionsort und zugleich Impulsgeber für Neues zu sein, auch in Krisenzeiten. „Diesem Anspruch werden Kulturschaffende durch antisemitische Aktionen und Boykottaufrufe nicht gerecht“, erklärte Klein.

Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen haben für ihre fünf Wettbewerbe insgesamt 117 Produktionen ausgewählt. Viele Filme der 70. Festivalausgabe vom 1. bis 6. Mai setzen sich mit aktuellen Krisen wie Kriegen, Klimawandel, dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur oder Flüchtlingsbewegungen auseinander. Im internationalen Wettbewerb werden 45 Beiträge gezeigt, im deutschen Wettbewerb 16 Filme. Für den NRW-Wettbewerb wurden elf Arbeiten ausgewählt, für den Kinder- und Jugendfilmwettbewerb 35. Für den MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo sind zehn Filme nominiert. Insgesamt vergibt das Festival Preise in Höhe von mehr als 40.000 Euro. Die Auszeichnungen werden am Abend des 5. Mai im Lichtburg Filmpalast Oberhausen verliehen.