Klosterkammer stützte NS-Regime

Ein Historikerteam hat in einem dreijährigen Forschungsprojekt die NS-Vergangenheit der Klosterkammer aufgedeckt. Sie war keine Agentur des Terrors, habe das Regime aber gestützt.

Klosterkammer-Präsident Hans-Christian Biallas vor dem Eingang des Verwaltungsgebäudes
Klosterkammer-Präsident Hans-Christian Biallas vor dem Eingang des VerwaltungsgebäudesJens Schulze /epd

Hannover. Die bislang geltende Einschätzung der Klosterkammer Hannover als widerständige Behörde während des Nationalsozialismus ist Historikern zufolge falsch. "Es handelt sich um ein geschöntes Bild", sagte der Geschichtsprofessor Detlef Schmiechen-Ackermann in Hannover. Der Direktor des Instituts für Didaktik der Demokratie an der Universität Hannover hat in einem dreijährigen Projekt mit einem Historikerteam die Geschichte der Klosterkammer während der NS-Herrschaft erforscht. Die Behörde sei keine Agentur des Terrors oder der Propaganda gewesen, aber sie habe das NS-Regime gestützt, erläuterte er.
Die hohen Überschüsse der Landesbehörde hätten der Unterstützung nationalsozialistischer Lehranstalten – etwa einer Napola in der früheren Klosterschule Ilfeld am Harz und später der Kriegsfinanzierung gedient. Rund 1.500 Menschen, darunter auch Kriegsgefangene, seien in der NS-Zeit auf Gütern und in Forsten der Klosterkammer zwangsbeschäftigt worden, sagte der Historiker. Zudem sei die große Mehrheit der leitenden Kammerverwalter Mitglied in der NSDAP gewesen. Dazu zähle auch der von 1931 bis 1955 amtierende Klosterkammerpräsident Albrecht Stalmann, der 1937 in die Partei eingetreten sei.

Auch Nachkriegszeit problematisch

Lange hätten Verantwortliche geglaubt, alle wesentlichen Aktenbestände der Klosterkammer aus der NS-Zeit seien bei einem Bombenangriff auf Hannover im Oktober 1943 verbrannt. So galt eine rechtfertigende Nachkriegsschrift Stalmanns bis zu Beginn des Forschungsprojekts als einzige Quelle. Er habe die Klosterkammer immer gegen die Angriffe der Nazis verteidigt und das Vermögen der Einrichtung so über die NS-Zeit gerettet, heiße es darin. Doch die Wissenschaftler stießen mit Hilfe heutiger Klosterkammermitarbeiter auf sehr viel mehr Material als erwartet.
Auch die Nachkriegszeit der Klosterkammer sei aus heutiger Sicht problematisch, sagte der Historiker. Stalmann selbst sei für die Entnazifizierung zuständig gewesen und habe diese nur oberflächlich ausgeführt. Lediglich ein belasteter Kammerdirektor wurde aus dem Dienst entfernt. Jedoch sei mindestens ein weiterer leitender Angestellter durch seine Beteiligung an der Enteignung später ermordeter Juden in der Ukraine schwer belastet gewesen.

Aufarbeitung wichtig für Jubiläum

Klosterkammerpräsident Hans-Christian Biallas sagte, das 200. Jubiläum seiner Behörde in diesem Jahr hätte ohne die Aufarbeitung dieses wichtigen Themas nicht angemessen gefeiert werden können. Um unabhängige Forschungsergebnisse sicherzustellen, wurde das rund 430.000 Euro teure Forschungsprojekt knapp zur Hälfte durch die Volkswagenstiftung finanziert.
Die Aufgabe der Klosterkammer war die Verwaltung früherer Kirchengüter, die in der Reformationszeit säkularisiert worden waren. Heute verwaltet die Sonderbehörde unter Rechtsaufsicht des Landes Niedersachsen unabhängig vom Staatsvermögen vier öffentlich-rechtliche Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von rund 750 Millionen Euro. Zudem unterstützt sie jährlich rund 200 Projekte aus Kirche, Bildung und sozialer Arbeit mit rund drei Millionen Euro. (epd)