Italien: Streik der Rai gegen Einfluss der Regierung

Am Montag sind in Italien Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt Rai in den Streik getreten. „Die Journalisten streiken für die Verteidigung der Autonomie und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber der allgegenwärtigen Kontrolle durch die Politik“, heißt es in einer Stellungnahme der linken Gewerkschaft Usigrai.

Die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni versuche, die Rai zu einem „Verlautbarungsorgan der Regierung“ zu machen. Weiter kritisiert die Gewerkschaft Usigrai, dass das Nachrichtenangebot im Programm zur Weiterentwicklung der Anstalt nicht erwähnt werde. Außerdem würden Kollegen, die in Rente gehen, nicht durch Nachwuchskräfte ersetzt – stattdessen bevorzugt Freiberufler eingesetzt. Die zweite Gewerkschaft der Sendeanstalt, die eher rechts gerichtete Unirai, erklärte, sich nicht an der Arbeitsniederlegung zu beteiligen. Sie bezeichnet den Streik als „politisch motiviert“.

Seit Wochen wird in Italien über den Einfluss der italienischen Regierung auf Personal und Inhalte der öffentlich-rechtlichen Medienanstalt diskutiert. „TeleMeloni“ wird die Rai dabei immer wieder genannt. Nach ihrem Amtsantritt im Oktober 2022 hatte die rechte Regierung aus Fratelli d’Italia, Forza Italia und Lega hochrangige Manager der Sendeanstalt ausgetauscht. Seitdem haben bekannte Fernsehköpfe wie Fabio Fazio oder Bianca Berlinguer die Rai verlassen.

Die Opposition wirft der Regierung vor, ihren Einfluss auf die Sender immer weiter auszubauen. So sollten beispielsweise im Europawahlkampf die Minister der Regierung mehr Redezeit erhalten, was gegen das Prinzip des „par conditio“ verstoßen würde, wonach alle Parteien gleich viel Redezeit erhalten sollen. Gegen die Pläne gab es großen Protest. Ob sie weiter verfolgt werden, ist unklar.

Die Debatte erlangte ihren bisherigen Höhepunkt, als ein Redebeitrag des Schriftstellers Antonio Scurati von der Rai kurzfristig abgesagt wurde. Scurati sollte zum 25. April, dem Tag der Befreiung von der Besatzung Nazideutschlands, eine Rede verlesen. Laut dem Autor hatte die Absage politische und ideologische Gründe. Laut Rai ging es um die Höhe des Honorars. Scurati wurde für seine Werke mehrfach ausgezeichnet, vor allem für seine Auseinandersetzungen mit dem Faschismus.

Regierungschefin Giorgia Meloni wird seit ihrem Amtsantritt vorgeworfen, das Wort „Antifaschismus“ nicht in den Mund zu nehmen. Die 47-Jährige wird oft – vor allem im Ausland – als „Postfaschistin“ bezeichnet. Ihre Partei, die Fratelli d’Italia, ist Nachfolgerin des Movimento Sociale Italiano (MSI), in dem sich nach dem Zweiten Weltkrieg Sympathisanten und Gefolgsleute Mussolinis versammelten. Auch heute noch finden sich bei den Brüdern Italiens Nostalgiker, die mit Devotionalien und Sprüchen von einst provozieren. Der Faschismus sei heute kein Thema mehr, sagt Meloni auf die Vorwürfe schlicht.

In Italien ist es Usus, dass die amtierende Regierung, egal ob von links oder von rechts, versucht in ihrer Amtszeit Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Sender der Rai zu bekommen. Nach einer Gesetzesänderung im Jahre 2016 unter der Regierung von Matteo Renzi vom sozialdemokratischen Partito Democratico ist das noch leichter möglich. Bis dahin war es gang und gäbe, dass die unterschiedlichen Sender der Rai unter den Parteien und deren Proporz quasi „aufgeteilt“ waren. Seit der Reform 2016 ist die Rai weniger von den Parteien, dafür mehr von der Regierung abhängig.

Die Rai hat etwa 12.000 Angestellte. Die Dutzenden Fernseh- und Radiosender kommen auf einen Marktanteil von 36 Prozent. Die Regierung hält durch das Wirtschafts- und Finanzministerium 99,5 Prozent der Anteile an der Aktiengesellschaft.