„Für immer“ – Filmische Langzeitbeobachtung eines Ehepaares

„Für immer“ ist ein Dokumentarfilm über ein Rentnerehepaar. Ihre jahrzehntelange Liebesbeziehung wird auf die Probe gestellt, als die über 80-jährige Frau wegen einer Lungenkrankheit immer schwächer wird.

Ein Ehepaar jenseits der 80 fährt in einem Tretboot über einen See. Als es Schwäne erblickt, sagt Dieter: „Das sind die Pärchen, die ewig zusammenbleiben.“ Die legendäre Treue der Schwäne setzt zu Beginn des einfühlsamen Dokumentarfilms von Pia Lenz ein deutliches Signal mit metaphorischer Kraft. Es geht um die starke Liebesbeziehung, die alle Schwierigkeiten, Krisen und Schicksalsschläge überstanden hat. Aber dennoch nicht ewig währt.

Lenz hat den ehemaligen Architekten Dieter und die frühere Lehrerin Eva 2018 über eine Anzeige kennengelernt. Nachdem sich die Eheleute aus dem Hamburger Stadtteil Harburg bereiterklärt hatten, bei der geplanten Langzeitbeobachtung mitzuwirken, begleitete sie die Filmemacherin über vier Jahre hinweg. Die Eheleute waren damals schon über 80 Jahre alt und standen absehbar vor der letzten Etappe ihres gemeinsamen Lebenswegs.

Oft sieht man die Ehegatten bei gemeinsamen Aktionen, am Küchentisch, beim Fernsehen oder auf dem Weg ins Theater, das Eva so sehr liebt. Die Kamera beobachtet den erstaunlich agilen Dieter beim Rollschuhfahren und Holzhacken, bei Reparaturen am Haus oder beim Hören von Blues- und Jazzplatten. Zu Beginn sieht man die zierliche Eva, wie sie Kindern an ihrer ehemaligen Schule aus ihrem Kriegstagebuch vorliest, das sie als Buch veröffentlicht hat. Doch sie ist erschöpft und fragt sich, ob sie eine solche Lesung im nächsten Jahr noch schafft.

Es ist ein frühes Menetekel, denn im Lauf der Dreharbeiten verschlimmert sich ihre Lungenkrankheit; Eva wird schwächer und gebrechlicher. Als sie einmal Gedichte über Abschiede liest und über die menschliche Sterblichkeit sinniert, sagt sie: „Es wäre viel schöner, wenn ich zuerst sterben könnte. Egoistisch ist das, das weiß ich. Weil der, der übrig bleibt, es schwerer hat.“

Kennengelernt haben sie sich in einer Tanzschule in Hannover. Damals war sie 16 Jahre alt, er 18. Im Dezember 1952 gab er ihr einen ersten Kuss, der ihr Zusammensein besiegelt. Die beiden heirateten fünf Jahre später und bekamen drei Töchter: Sunka, Jaike und Siska. Von Beginn an schreiben sie sich Briefe; später halten sie ihre Gedanken in einem gemeinsamen Buch fest. Eva schreibt Tagebuch.

Nach zwei Jahren Drehzeit vertraute Eva der Filmemacherin ihre Tagebücher und Briefe an, die weitreichende Einblicke in das Seelenleben der Frau enthalten. Auszüge daraus liest die Schauspielerin Nina Hoss mit ruhiger Stimme aus dem Off. Diese Einschübe verleihen dem Film eine spannende zweite Erzählebene.

Zumal Eva ihre Erlebnisse immer offenherzig, manchmal humorvoll und gelegentlich wütend kommentiert. Einmal hält sie fest: „Dieter, du maulfauler Stockfisch, du wortkarger Klotz, du Gefühlsurne. Es wird kommen der Tag, da bitte ich Dich und Deine Gefühle zur Kasse.“ Daneben illustrieren alte Schwarz-weiß- und Farbfotos sowie kurze Familienfilme jugendliche Verliebtheit, glückliche Urlaubstage, die Freude über den Nachwuchs, aber auch krisenhafte Phasen.

Denn es gab in dieser Paarbeziehung auch Höhen und Tiefen, Streit und Konflikte. Eva listet in ihrem Tagebuch einmal vier Ehekrisen auf. In einer Schlüsselszene, in der die Eheleute auf dem Sofa sitzen und direkt in die Kamera schauen, offenbaren sie ihre Enttäuschung, ja Verbitterung über ihre jeweiligen Seitensprünge in den 1970er Jahren. Dennoch haben die beiden auch solche Rückschläge bewältigt.

Als Eva immer hinfälliger wird, vollzieht sich im Haus ein frappierender Rollenwechsel. Dieter, der in jüngeren Jahren als viel beschäftigter Professor jede Hausarbeit scheute, kocht nun plötzlich, wäscht Eva den Rücken, reicht ihr eine Decke beim Lagerfeuer hinter dem Haus. Ein letztes Mal fordert er sie am Silvesterabend zu einem behutsamen Tänzchen auf; mehr geht nicht mehr.

Solche Bilder bezeugen auf unprätentiöse Weise, was Pia Lenz im Presseheft konstatiert: „Eva und Dieter haben bis zum Schluss eine glückliche Beziehung geführt: mit gegenseitigem Respekt, mit Interesse und Neugier, mit Nachsicht, Humor und Hingabe.“ Und mit einer bewundernswerten Demut. Sie ist es, die „Für immer“ zu einer anrührenden Ode an eine Liebe macht, die sich in guten wie in schlechten Zeiten als widerstandsfähig erweist.

Eine solche filmische Langzeitbeobachtung, die der Grundidee zufolge bis zum Tod eines der beiden Ehepartner fortgesetzt werden sollte, wäre ohne geduldige und einfallsreiche Produzenten nicht machbar gewesen. Für ihre Leistung wurden Hauke Wendler und Carsten Rau daher auch verdientermaßen beim Dok.Fest München 2023 mit dem „VFF Dokumentarfilm“-Produktionspreis ausgezeichnet.