Diese Woche neu im Kino

Auf trockenen Gräsern (Türkei/Frankreich 2023)

Samet, Kunstlehrer in einem abgelegenen Dorf, wird eines Tages gemeinsam mit seinem Kollegen zum Direktor der Schulbehörde zitiert. Beide sollen unangemessen mit Schülerinnen umgegangen sein, mehr erfahren sie nicht. Statt an diesem Punkt in ein konventionelles Drama über den Kampf eines Lehrers um seine Ehre einzuschwenken, wechselt Ceylan den Fokus auf verschiedene Handlungsschwerpunkte und erzeugt ein hohes Maß an Spannung. Die bedächtige, zunehmend doppelbödige Erzählweise lässt immer neue Schlüsse zu, die dann wieder in Zweifel gezogen werden.

Regie: Nuri Bilge Ceylan. Buch: Nuri Bilge Ceylan und Ebru Ceylan. Mit: Deniz Celiloğlu, Merve Dizdar, Musab Ekici, Ece Bağci. Länge: 198 Minuten FSK: ab 12 Jahren, ff. FBW: ohne Angabe.

Der Kolibri – Chronik einer Liebe (Spanien/Frankreich 2023)

Marco Carrera ergeht es wie Dr. Schiwago, dem Helden seines Lieblingsromans aus Jugendtagen, denn über ihn bricht jedes Unglück der Welt herein: Seine Schwester begeht im Teenageralter Selbstmord; seine Eltern, die nie zusammen glücklich waren, erkranken an Krebs; seine Ehefrau leidet an einer bipolaren Störung und die Tochter verunglückt beim Bergsteigen. Francesca Archibugi adaptiert den achten Roman des toskanischen Schriftstellers Sandro Veronesi im flinken Wechsel der Zeitebenen als Kaskade der Katastrophen und als melodramatisches Puzzle eines Lebens, bei dem die Darsteller leicht unterfordert bleiben.

Regie: Francesca Archibugi. Buch: Francesca Archibugi, Laura Paolucci, Francesco Piccolo. Mit: Pierfrancesco Favino, Kasia Smutniak, Bérénice Bejo, Laura Morante, Sergio Albelli, Alessandro Tedeschi. Länge: 126 Minuten FSK: ab 12 Jahren, ff. FBW: besonders wertvoll.

Nightwatch: Demons are Forever (Dänemark 2023)

30 Jahre nach seinem Überraschungshit spinnt Ole Bornedal die Geschichte seines Debüts „Nightwatch“ generationsübergreifend weiter: Die Tochter des Nachtwächters fragt sich, warum ihre Mutter sich vor kurzem erhängt hat und wie sie ihren Vater (Nikolaj Coster-Waldau nimmt seine eigene Rolle wieder auf) aus seiner Depression in ihr Leben zurückholen kann. Die Fortsetzung ist überzeugend düster angelegt, mit blassgelb gefliesten Wänden, die Sterilität signalisieren und zugleich die Patina des Verfalls tragen. In labyrinthischen Krankenhausgängen, fensterlosen Katakomben, unheimlichen Obduktionsräumen und modrigen Gefängniszellen entsteht gepflegter Grusel.

Regie und Buch: Ole Bornedal. Mit: Fanny Leander Bornedal, Nikolaj Coster-Waldau, Alex Høgh Andersen, Sara Viktoria Bjerregaard, Kim Bodnia. Länge: 110 Minuten FSK: ab 16 Jahren, ff. FBW: ohne Angabe.

Das Zimmer der Wunder (Frankreich 2023)

In der Adaption von Julien Sandrels Roman spielt Alexandra Lamy eine alleinerziehende Mutter, die aus ihrem Pariser Alltag gerissen wird, als ihr Sohn verunglückt und ins Koma fällt. Indem sie seine „Bucket List“ für ihn abarbeitet und ihm von den erlebten Abenteuern berichtet, will sie ihn retten. Mit symbolsatten Bildern und surrealen Effekten touchiert der Film ein ums andere Mal den Kitsch – findet aber immer wieder seine Balance. Die wunderbar trockene Großmutter (Muriel Robin) und eine beinharte Krankenschwester (Martine Schambacher) erden die märchenhafte Handlung mit komischen Akzenten.

Regie: Lisa Azuelos. Buch: Juliette Sales, Fabien Suarez. Mit: Alexandra Lamy, Muriel Robin, Hugo Questel, Xavier Lacaille, Martine Schambacher, Hiroki Hasegawa. Länge: 99 Minuten FSK: ab 12 Jahren. FBW: ohne Angabe.