Der Engel mit der grünen Hose

Angefangen hat das alles schon 1981, als Oliver Schaffer einen Playmobil-Zirkus geschenkt bekam. Damit konnte er die echten großen Zirkuszelte und Manegen, die ihn und seinen Vater lange Zeit sehr begeisterten, nachbauen. Fotos von seiner Zirkuswelt daheim schickte er an Playmobil. „Vor rund 20 Jahren erhielt ich dann einen Anruf der Pressesprecherin der Firma. Sie wollte wissen, ob ich meinen Zirkus für eine Ausstellung in Speyer noch mal aufbauen könnte“, schildert er seinen Einstieg ins Ausstellungsgeschäft, das er inzwischen hauptberuflich macht. Ab dem 4. Mai kann seine Kunst nun im Kasseler Schloss Wilhelmshöhe unter dem Motto „Playmobil trifft Gemäldegalerie“ bewundert werden.

Der Bestand an Playmobilfiguren und Zubehör von Oliver Schaffer ist enorm. „In einem Hochregallager in Hamburg habe ich rund 1.500 große Kisten stehen“, erklärt er. Gut eine Million Euro hat er schon in die Figuren gesteckt – und kauft immer noch neue Sachen hinzu. Da seine Dioramen bisweilen mehrere Quadratmeter umfassen, kommt es vor, dass er schon mal 300 Tannen bestellen muss, um einen Wald darzustellen. Für die Kasseler Ausstellung hat er allerdings nur einen relativ bescheidenen Teil seiner
Sammlung dabei. Die Teile für die etwa 30 Bilder, die er hier nachbaut, hat er schon vorsortiert.

Seine Idee, auch einmal in Kassel auszustellen, hatte er vor zwei Jahren dem Direktor von Hessen Kassel Heritage, Martin Eberle, in einer E-Mail vorgeschlagen, fährt er fort. Der sei davon ganz angetan gewesen. „Er hat dann die Idee gehabt, Gemälde der Alten Meister im Schloss mit Playmobil nachzubauen“, erklärt er. Zusammen mit dem künstlerischen Leiter der Sammlung, Justus Lange, habe man dann passende Gemälde ausgesucht.

Alte Gemälde als Diorama nachzubauen, ist ein neues Feld für Schaffer. So etwas habe er bisher noch nicht gemacht. „Das ist eine neue Ära in der Aufgabenstellung“, beschreibt er die Arbeit. „Was ich allerdings nicht nachbauen kann, sind Gemälde mit nackten Menschen“, räumt er ein. Denn nackte Playmobil-Figuren gibt es nicht. „Ich baue nur gewaltfreie, nichtsexuelle Dioramen“, sagt er. Einen nackten Engel, der auf einem der
nachzustellenden Gemälde zu sehen ist, hat er aber nicht etwa weggelassen, sondern ihn kurzerhand mit einer grünen Hose versehen. Geht auch.

Die Kasseler Ausstellung ist mittlerweile die 69., die Schaffer mit seinen Playmobil-Figuren macht. Besonders stolz ist er, dass es ihm 2009 gestattet war, seinen Playmobil-Zirkus im Musée des Arts décoratifs im Westflügel des Louvre Paris zu zeigen. „Nur 100 Meter von der Mona Lisa entfernt“, lacht er.

Unter den nachgestellten Szenen in Kassel ist unter anderem das Monumentalgemälde „Die Menagerie des Landgrafen Carl“ von Johann Melchior Roos von 1663, das zahlreiche Tiere und Pflanzen zeigt. Die zweidimensionale Bildvorlage wird nun mit viel Liebe zum Detail dreidimensional, kann von allen Seiten betrachtet werden und eröffnet so eine ungewohnte Perspektive auf das bunte Treiben.

Ein Porträtbild Martin Luthers von Lucas Cranach nimmt Schaffer zum Anlass, die Lutherfigur von Playmobil mit Schreibfeder und Kerze in einem Burgzimmer zu positionieren, die aufgeschlagene Bibel auf einem Schreibtisch. Der Bezug zur Wartburg liegt nahe. Das bekannte Porträt Albrecht Dürers von Elsbeth Tucher, das früher einmal den 20 DM-Schein zierte, nimmt er zum Anlass, die Werkstatt des Meisters nachzubauen, mitsamt Staffelei und einer Maus, die dort ihr Unwesen treibt.

„Die Ausstellung soll Spaß machen“, schildert Schaffer eines seiner Ziele. Vorgesehen sind auch Workshops, in denen Kinder von 8 bis 13 Jahren mit Playmobil-Materialien Stop-Motion-Filme mit den Figuren erstellen können. Da könnte in alte Gemälde sogar neues, bewegtes Leben kommen.