Cluny und die Cluniazenser – Eine Chronologie

Cluny in Burgund war ein geistliches Zentrum der ganzen Christenheit. Seine Architektur, Kunst und spirituellen Impulse strahlten auf ganz Europa aus. 10.000 Mönche lebten in 1.400 Klöstern, von Italien bis nach Schottland.

Aus einer radikal armen Reform des benediktinischen Mönchtums wurde bald ein mächtiges Kloster-Imperium, das sich über ganz Europa erstreckte. Unter der Ägide von nur fünf Äbten in 200 Jahren entstand aus dem Herzen des Benediktinerordens eine eigenständige, streng hierarchisch organisierte Ordensgemeinschaft: die Cluniazenser. Für den Bau der größten Kirche der Christenheit reichte aber am Ende selbst das größte Geldvermögen in ganz Europa nicht aus. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) zeichnet wichtige Stationen der Ordensgeschichte von Cluny und den Cluniazensern nach:

910: Per Urkunde vom 11. September gründet Herzog Wilhelm I. von Aquitanien das Kloster Cluny in Burgund. Hier soll das benediktinische Mönchtum wieder in reiner Form und Armut gelebt werden.

964-994: wegweisende Amtszeit von Abt Maiolus/Mayeul; enge Kontrolle über die ersten Tochterklöster, Betonung von benediktinischer Liturgie und Totengedenken; Bau der Klosterkirche “Cluny II” (955-981)

994-1049: Abt Odilo I. baut die von Abt Maiolus beschrittenen Wege mit Umsicht aus. Cluny und seine damals schon 38 Tochterklöster werden 998 “exemt”, also kirchlich eigenständig. Sie unterstehen rechtlich nurmehr dem Papst direkt – und nicht, als sogenannte Eigenkirchen, einem adligen Herrscher oder Grundherren. Immer mehr Adlige übertragen Cluny die Quasi-Regentschaft über ihre an mangelnder Disziplin kränkelnden Eigenklöster.

Um das Jahr 1000 – eine Quelle spricht von 998, andere von 1028/30 – wird Allerseelen (2. November) als Gedenktag in allen von Cluny abhängigen Klöstern eingeführt. Es ist nicht zuletzt das Andenken an die Toten, mit dem Cluny ein großes Vermögen durch Spenden und Erbschaften erhält. Das Fest steht in fließendem Übergang von Allerheiligen tags zuvor; an beiden Tagen werden Arme gespeist.

1049: In Odilos Todesjahr gehören 68 Klöster dem Verband von Cluny an. In den sechs Jahrzehnten unter Nachfolger Hugo I. von Semur (“der Große”, bis 1109) gelangt der Klosterverband zu seiner höchsten Blüte – und überschreitet in der Rückschau zugleich eine kritische Größe. Unter Abt Hugo werden die Regeln von Cluny aufgezeichnet, die “consuetudines”.

1088: Mit dem Neubau der Klosterkirche entsteht das über Jahrhunderte größte Gotteshaus der Christenheit. “Cluny III” ist mit 187 Metern Länge mehr als die Hälfte größer als die frühchristliche Basilika Sankt Peter in Rom.

1095: Die Unterstützung Clunys für den Kreuzzug ins Heilige Land fällt bescheiden aus – auch und gerade angesichts der Tatsache, dass der Kreuzzugs-Papst Urban II. ein Cluniazenser ist.

Cluny hat sich zu einem geistlichen Zentrum der gesamten Christenheit entwickelt. Seine Architektur, Kunst und geistlichen Impulse strahlen auf ganz Europa aus. Mehr als 10.000 Mönche leben in rund 1.400 Klöstern und 2.000 Besitztümern, von der Lombardei bis nach Schottland.

Mehr noch als seine Vorgänger stellt Abt Hugo den Gottesdienst in den Mittelpunkt des monastischen Lebens. Fast rund um die Uhr haben die Mönche liturgische Zeiten einzuhalten, für unterschiedlichste Personen und Zwecke zu beten. Von jeglicher Handarbeit sind sie befreit. Das entbehrungsarme Leben der Cluniazenser und die immer größere Prachtentfaltung in der Liturgie bietet Angriffsfläche für die Konkurrenz neuer, aufstrebender Orden, etwa der Zisterzienser.

Das global agierende Unternehmen Cluny wird zu komplex, um von einem einzigen Chef gesteuert zu werden. Neben der Verselbstständigung einzelner Klöster bringen die aufkommende Geld- statt Naturalwirtschaft und die drückenden Kosten für die riesigen Repräsentationsbauten den Tanker Cluny ins Schlingern.

1109: Am Ende von Hugos Regentschaft hat der Orden seinen geistlichen Zenit überschritten.

1120: Abt Hugo wird in Cluny von Papst Calixt II. heiliggesprochen und in seiner noch unvollendeten Kirche beigesetzt.

1122-1156: Abt Petrus Venerabilis (Pierre Maurice de Montboissier)

1125: Ein mächtiger Teil des fast fertiggestellten Kirchenschiffs stürzt ein.

1130: Chor, langes Querschiff und Mittelschiff sind fertiggestellt; Papst Innozenz II. weiht das Gotteshaus. 1135 wird mit dem Bau der großen Eingangshalle (Narthex) begonnen.

Trotz dauerhaft schwacher Gesundheit entfaltet Petrus Venerabilis eine weit gespannte politische Tätigkeit. Er bereist Europa, schreibt Briefe an Päpste und Kaiser, Patriarchen und Könige. Und es ist letztlich der Abt von Cluny, der das Schisma in Rom für Papst Innozenz II. und gegen dessen Widersacher Anaklet II. – einen ehemaligen Cluniazenser – entscheidet.

1132/46: Inmitten zunehmender wirtschaftlicher Probleme, Verfall der Ordensdisziplin und inneren Streitigkeiten führt der junge Abt den Klosterverband noch einmal zu einer Blüte. Gegen Beschwerden über eine mangelnde spirituelle Güte der Kandidaten setzt er eine Qualitätsoffensive. In zwei Generalkapiteln setzt Petrus mit Billigung des Papstes strengere Statuten für den Klosterverband durch. Die Liturgie wird wieder bescheidener, das mönchische Leben wieder ernster genommen.

Als Argumentationshilfe für eine Auseinandersetzung der Christen mit dem Islam gibt der Abt von Cluny die erste Koran-Übersetzung ins Lateinische in Auftrag. Für eine theologische Widerlegung der Lehren des Islam verfasst er selbst eine – für den Zeitgeist vergleichsweise konziliante – Streitschrift in zwei Bänden.

1156: Tod des letzten der großen Äbte von Cluny. Zunehmend verzögern wirtschaftliche Schwierigkeiten die Bauarbeiten an Cluny III; erst 1230 kann die Kirche vollendet werden.

Dennoch: Auch im Spätmittelalter hat Cluny noch einige gute Jahrhunderte auf hohem wirtschaftlichen Niveau.

nach 1515/21: Wie überall im Land setzt Frankreichs König auch in Cluny künftig sogenannte Kommendataräbte ein; also Geistliche, die aus der Ferne lediglich Einkünfte aus der Abtei beziehen, ohne Leitungsgewalt und Amtspflichten. Zu ihnen gehören im 17. Jahrhundert unter anderen die Staatsminister und Kardinäle Armand-Jean du Plessis de Richelieu und Jules Mazarin.

1562/74: Verwüstung der Abtei in den französischen Religionskriegen

1612: Der Neubau des Petersdoms überflügelt Cluny III. als größte Kirche der Christenheit.

17. Jahrhundert: Weite Teile der romanischen und gotischen Konventsgebäude werden abgerissen und durch barocke Neubauten ersetzt.

1790: Aufhebung des Klosters im Zuge der Französischen Revolution

1793: Clunys unschätzbare Archive werden verbrannt.

1798: Die Klosterkirche wird verkauft. Ein privater Händler macht 1801 eines der größten Gesamtkunstwerke der Christenheit, völlig intakt, zum Steinbruch. Mit den ersten Abbruchsteinen wird eine Straße mitten durch das Hauptschiff gelegt.

1810: Hauptschiff und Vorhalle sind fast völlig verschwunden, bis 1812 auch die beiden Vierungstürme und das nördliche Querhaus. Selbst als die Behörden 1818 einen Stopp der Abbrucharbeiten anordnen, wird noch weitergemacht; die Apsiswand und fast alle Kapellen verschwinden.

1820: Das Zerstörungswerk kommt zum Halten.

1862: Die Klostergebäude und der verbliebene Rest der Kirche, nur rund ein Zehntel des einstigen Bestandes, werden unter Denkmalschutz gestellt.