Brückenbauer in stürmischer Zeit

UN-Generalsekretär António Guterres steht vor einem großen Geburtstag. Der unermüdliche Portugiese wird am 30. April 75 Jahre alt. Doch dürfte der oberste UN-Beamte seinen Ehrentag eher leise begehen. Der Zustand der Welt ist zu ernst, um eine große Party zu schmeißen. Der frühere Ministerpräsident seines Heimatlandes muss ein Gemisch aus globalen Krisen bewältigen, das er selbst als „apokalyptisch“ bezeichnet: Die vielen Kriege und Konflikte wie in der Ukraine, in Nahost oder dem Sudan, Hunger, Armut und der fortschreitende Klimawandel fordern die ganze Kraft des neunten Generalsekretärs, der Ende 2026 die UN verlassen wird.

Der Ex-Präsident der Sozialistischen Internationalen wirbt für sich als „ehrlichen Makler“, als „Brückenbauer“, der auf Lösungen für die brennenden globalen Probleme fokussiert ist. Dabei ist sich Guterres der Grenzen bewusst: Der Generalsekretär verfügt über keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den Mitgliedsländern der UN, als seine stärkste Waffe setzt er das Wort ein. „Guterres ist ein sehr kluger Mann, und ich glaube, dass er sich seiner Rolle bei den Vereinten Nationen sehr widmet“, sagt der UN-Direktor der International Crisis Group, Richard Gowan. „Aber er hat das Pech, die Organisation in einer Zeit zu führen, in der globale Spannungen die internationale Zusammenarbeit immer schwieriger machen.“

Aussagen zum Nahost-Krieg brachten Guterres erhebliches Ungemach. „Es ist auch wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattgefunden haben“, sagte Guterres kurz nach dem Terrorüberfall auf Israel und verwies auf die lange Leidensgeschichte der palästinensischen Bevölkerung. Israels Regierung verlangt seitdem den Rücktritt des UN-Generalsekretärs – eine eher ungewöhnliche Forderung im diplomatischen Verkehr. „Guterres verdient nicht, an der Spitze der Vereinten Nationen zu stehen“, sagte 2023 der damalige Außenminister Israels, Eli Cohen.

Guterres kam 1949 in Lissabon zur Welt und musste die Enge der Salazar-Diktatur ertragen. Seine politische Laufbahn nahm 1974 Fahrt auf, im Jahr der portugiesischen Nelken-Revolution, als der Elektroingenieur der Sozialistischen Partei beitrat. Der pragmatische Idealist krönte seine nationale Karriere 1995, er wurde Regierungschef seines Heimatlandes. Persönlich musste der gläubige Katholik 1998 einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen: Seine erste Frau starb mit 51 Jahren. Später heiratete er erneut. Von 2005 bis 2015 diente Guterres als UN-Hochkommissar für Geflüchtete. Damals verlangte er einen internationalen Schulterschluss angesichts der aufziehenden Migrationskrise. Es war ein Appell, der nicht gehört wurde.

Seinen größten Erfolg als UN-Chef konnte Guterres wenige Monate nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine verbuchen: Die Schwarzmeergetreide-Initiative vom Juli 2022, die der Generalsekretär selbst einen „Hoffnungsschimmer“ inmitten des Blutvergießens nannte. Guterres und die Türkei brachten Russland dazu, Lebensmittelexporte aus der Ukraine über das Schwarze Meer passieren zu lassen. Allerdings beendete Moskau nach einem Jahr die Vereinbarung.

Dass bereits seine erste Amtszeit schwierig werden würde, war von Anfang an klar. Denn im selben Monat, in dem Guterres im Januar 2017 UN-Generalsekretär wurde, zog Donald Trump als neuer US-Präsident ins Weiße Haus in Washington ein. In den darauffolgenden vier Jahren musste der Portugiese mit der US-Konfrontationspolitik gegen die Vereinten Nationen umgehen. Allerdings wurde er nie persönlich angegriffen. So vermied Guterres im Gegenzug kritische Worte gegen Trump.

Dennoch dürfte dem gewieften Politfuchs eine mögliche zweite Amtszeit Trumps ab 2025 schon jetzt Kopfzerbrechen bereiten. „Es wäre Guterres nicht zu gönnen, dass er sich noch einmal mit Trump herumschlagen muss“, sagt ein europäischer UN-Diplomat.