1. Mai in NRW: Zehntausende nehmen an Kundgebungen teil

In Nordrhein-Westfalen haben am 1. Mai nach Schätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbunde NRW rund 79.000 Menschen an Demonstrationen, Kundgebungen und Familienfesten zum Tag der Arbeit teilgenommen. Die zentrale Kundgebung fand am Mittwoch in Aachen mit Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und der DGB NRW-Vorsitzenden Anja Weber statt. In Dortmund sprach NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne). NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) war zu Gast in Hamm. Insgesamt gab es in diesem Jahr rund 70 Veranstaltungen des DGB zum 1. Mai in Nordrhein-Westfalen.

In Aachen, wo sich nach Schätzungen der Veranstalter rund 3.000 Teilnehmer zur zentralen NRW-Kundgebung eingefunden hatten, forderte die DGB NRW-Vorsitzende demokratische Parteien und die schwarz-grüne Landesregierung auf, sich in den großen gesellschaftlichen Fragen nicht auseinanderdividieren zu lassen. Sie sei froh, dass es in NRW eine klare Haltung für ein starkes und demokratisches Europa „sowie gegen die AfD und deren Gesinnungskumpanen“ gebe, sagte Weber. „Diese Haltung müssen wir uns dringend bewahren und die Brandmauern gegen Rechtsextremisten neu und besser aufstellen.“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) betonte in Aachen die Bedeutung Europas. In NRW und Deutschland profitierten die Menschen von einem starken und geeinten Europa, von gemeinsamen Sozial- und Umweltstandards, vom Handel und wirtschaftlichen Austausch, sagte Wüst am Mittwoch laut Redetext in Aachen. Der gemeinsame europäische Binnenmarkt bringe Deutschland ein „Wohlstands-Plus“ von 83 Milliarden Euro im Jahr. Das seien 1.046 Euro pro Person. Ein EU-Austritt Deutschlands hätte katastrophale Folgen, mahnte er in Richtung von EU-Gegnern. Millionen Arbeitsplätze wären weg. Gemeinsam in Europa könnten am besten auch Antworten auf aktuelle Fragen zu Krieg und Frieden, Klimaschutz, Flucht und Migration gefunden werden.

Der Ministerpräsident räumte ein, dass derzeit die wirtschaftliche Entwicklung in einem „scharfen globalen Wettbewerb“ schwierig sei. Unternehmen kündigten an, ihr Personal in Deutschland abzubauen. Die Sorge um die Sicherheit von Jobs wachse gerade im Industriebereich. „Da müssen wir in Deutschland mehr tun.“ Der Ministerpräsident betonte die Bedeutung einer starken Sozialpartnerschaft mit „handlungsfähigen Gewerkschaften“. „Als Landesregierung wollen wir unseren Beitrag leisten und tarifgebundene Unternehmen stärken.“ Derzeit werde an einem neuen Tariftreuegesetz gearbeitet, das unter anderem Branchen mit schwierigen Wettbewerbsbedingungen und prekären Arbeitsbedingungen besonders in den Blick nehmen werde.

In Dortmund, wo nach DGB-Schätzungen 5.000 Menschen zusammengekommen waren, unterstrich die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) die Bedeutung von Gewerkschaften. Im Zuge von Digitalisierung und Automatisierung änderten sich Arbeitswelt und Arbeitsbedingungen, sagte die Wirtschaftsministerin. Auch die ökologische Transformation der Wirtschaft müsse sozial flankiert werden. „Diese Ziele erreichen wir durch starke Gewerkschaften und eine Stärkung der Tarifbindung.“

In Köln blickte der Vorsitzende der Industriegewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliades, auf die Lage großer Unternehmen und forderte die Arbeitgeber auf, die Reallohnverluste von Beschäftigten zu stoppen. Jetzt sei die Zeit, den Menschen dauerhaft Kaufkraft zurückzugeben, sagte er auf dem Heumarkt. Die Reallöhne der Beschäftigten seien auf das Niveau von 2016 zurückgefallen, die Binnennachfrage liege am Boden. Dieser Trend müsse umgekehrt werden, mahnte Vassiliades. Ohne Frage gebe es vor allem in der energieintensiven Industrie strukturelle Herausforderungen, räumte er ein. Nötig sei aber auch Gestaltungswillen in der Industrie selbst. Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds seien Milliardengewinne erwirtschaftet und „satte Dividenden“ an Aktionäre ausgeschüttet worden