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Zeitzeuge des DP-Lagers Föhrenwald: “Wir wollten einfach leben”

Mit einem Zeitzeugentreffen begeht der „Erinnerungsort Badehaus“ am Samstag (18. Oktober) den 80. Gründungstag des Lagers für jüdische „Displaced Persons“ (DP) Föhrenwald bei Wolfratshausen (Landkreis Bad Tölz). Rund 40 ehemalige Bewohner kommen zu der Begegnung, darunter auch der 81-jährige Münchner Arzt Beno Salamander. Er hat von 1951 bis 1956 mit seiner Familie in Föhrenwald gelebt: „Wir Kinder hatten einfach einen Lebenswillen, wir wollten leben und blühen, so wie eine junge Pflanze groß werden will“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Von der traumatischen Vergangenheit der Eltern, die den Holocaust überlebt hatten, hätten sich die Kinder seiner Erinnerung nach „zumindest nicht bewusst in ihrem Spieltrieb und ihrer Neugierde“ einschränken lassen.

Salamanders Eltern waren vor den Nazis aus Polen nach Russland geflohen. Seine Mutter entkam zusammen mit ihrer Schwester dem Warschauer Ghetto, beide Frauen zogen sich aber auf ihrer Flucht schwere Erkrankungen zu, an denen sie bald nach Kriegsende starben. 1945 verschlug es die Eltern, die sich in Turkmenistan kennengelernt und dort 1944 ihren Sohn Beno bekommen hatten, auf dem Rückweg nach Westen in verschiedene deutsche DP-Lager. In Deggendorf kam 1949 Benos Schwester Rachel Salamander zur Welt; 1951 erreichte die Familie Föhrenwald, das unter amerikanischer Verwaltung mit seinen anfänglich über 5000 Bewohnern zum letzten jüdischen „Schtetl“ auf europäischem Boden wurde.

Beno Salamander hat die Zeit im Lager als unbekümmert in Erinnerung: „Es war wie eine große Dorfgemeinschaft, jeder kannte jeden, und wir Kinder waren sehr miteinander verbunden.“ Doch für die Erwachsenen sei Föhrenwald nur eine Durchgangsstation gewesen: „Alle wollten auswandern.“ Für viele erfüllte sich der Traum aber aufgrund körperlicher Krankheiten und seelischer Verwundungen nicht.

Für die Geschwister Salamander kam der Abschied von Föhrenwald plötzlich: Während einer Sommerfreizeit im Schwarzwald habe der Vater 1956 – bereits im Zuge der Auflösung des DP-Lagers – eine Wohnung in München zugewiesen bekommen, nach ihrer Rückkehr seien sie direkt dort eingezogen. Die Stadt sei für ihn „ein Zivilisationsschock“ gewesen, sagt Salamander: „Das war ein harter Schritt. Aber da mussten wir eben durch.“

Dass das von einem Bürgerverein betriebene Museum „Erinnerungsort Badehaus“ seit 2018 die Geschichte Föhrenwalds – das seit 1956 Waldram heißt – vor dem Vergessen bewahrt, findet der Zeitzeuge gut. Unter den Aktiven seien viele junge Menschen, die sich mit ihrer Arbeit für eine lebendige Demokratie in Deutschland einsetzten. „Alle Menschen, egal welches Schicksal sie durchgemacht haben, sollen sich vertragen – dieser Gedanke lebt dort, und das finde ich toll.“ (3159/12.10.2025)