Artikel teilen:

Zahl älterer Menschen steigt – auch Armutsrisiko wächst

Die Zahl der Älteren wächst. Während Ministerin Paus dies auch als Chance sieht, Potenziale von Senioren stärker zu nutzen, werfen Opposition und Verbände der Regierung Untätigkeit vor.

Die Zahl der über 80-jährigen Menschen wird nach aktuellen Einschätzungen in den kommenden Jahren stark zunehmen. Demnach könnten bis 2050 etwa acht bis zehn Millionen Menschen dieser Altersgruppe in Deutschland leben. Derzeit sind es sechs Millionen, wie aus dem am Mittwoch vorgestellten Altersbericht der Bundesregierung hervorgeht. Auch die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird demnach weiter steigen. So wird bis 2055 altersübergreifend ein Anstieg auf 7,6 Millionen erwartet.

Bundesseniorenministerin Lisa Paus (Grüne) stellte den Neunten Altersbericht vor; zuvor hatte das Kabinett ihn beschlossen. Die zuständige Kommission hatte den Bericht bereits im Juli an das Familienministerium übergeben. Überschrieben ist er mit dem Titel “Alt werden in Deutschland – Vielfalt der Potenziale und Ungleichheit der Teilhabechancen”. 1993 erschien erstmals ein Altersbericht, er beschäftigte sich damals mit der Lebenssituation älterer Menschen.

Der Bericht untersucht auch die Armutsgefährdung älterer Menschen. Demnach gelten 17 bis 19 Prozent der über 65-Jährigen als armutsgefährdet. Damit liegt der Anteil leicht über dem der Gesamtbevölkerung.

Paus betonte, der Bericht zeige auch, wie vielfältig die Lebensrealitäten älterer Menschen in Deutschland seien. Diese Vielfalt gelte es aktiv zu fördern. Alle älteren Menschen müssten die gleichen Chancen auf Teilhabe haben, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder sozialer Lage. Besonders benachteiligt seien vor allem Frauen mit Migrationshintergrund sowie queere ältere Menschen. Die Ministerin erklärte, Erfahrungen und Engagement von älteren Menschen seien für die Gesellschaft von “unschätzbarem Wert”.

Dagegen kritisierte die Union, dass die Regierung sich in den vergangenen Jahren zu wenig um die Belange von Senioren und Seniorinnen gekümmert habe. Der Altersbericht zeige, dass sich viele ältere Menschen, insbesondere Frauen, von weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen fühlten. Einsamkeits- und Isolationsgefühle besonders unter den älteren Menschen stiegen an und führten zu einem enormen Leidensdruck für die Betroffenen, so die familienpolitische Sprecherin der Union, Silvia Breher (CDU). Auch der Sprecher der Gruppe der Linken für Pflegepolitik, Ates Gürpinar, sagte, es dürfe kein “Weiter so” in der Pflegepolitik und der Alterssicherung geben.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, forderte mehr Anstrengungen für “viel mehr unkomplizierte Systeme und Rahmenbedingungen”, die Pflegebedürftigen und deren Angehörige zugute kämen. Neben einem Lohn für pflegende Angehörige und einem verstärkten Einsatz gegen Altersarmut müsse es unter anderem “bessere Strukturen zum Thema Barrierefreiheit” geben.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz betonte, körperliche Einschränkungen und das Wegbrechen von Sozialkontakten erschwerten vor allem für Betagte und Hochbetagte die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Betroffene arrangierten sich oft stillschweigend mit ihrer zunehmenden Isolation. Es greife zu kurz, nur die Nachbarschaft zu mobilisieren. Vielmehr brauche es in jeder Kommune Seniorenämter, die Angebote selbst organisierten und finanzierten, auf Treffen hinwiesen und proaktiv auf die vereinsamten Menschen zugingen.