Wo bei Orgelmusik geimpft wird

Eine Hamburger Ärztin impft ihre Patienten in einer nahe gelegenen Kirche. So können deutlich mehr Menschen den Pieks bekommen als in der Praxis. Und auch die Kirche profitiert.

Ärztin Ute Breuer (r.) beim Impfen in der Epiphanienkirche
Ärztin Ute Breuer (r.) beim Impfen in der EpiphanienkircheImke Plesch

Hamburg. Etwa 20 Stühle stehen verteilt und mit ausreichend Abstand im Kirchenraum der Epiphanien­kirche im Hamburger Stadtteil Winterhude. Vereinzelt sitzen Menschen darauf, viele schauen auf ihr Smartphone. Es ist ruhig, hinter dem Altar leuchtet das große bunte Kirchenfenster. In einem Raum neben dem Altar, hinter dem großen Konzertflügel räumen weiß gekleidete Ärztinnen und Helferinnen nach der letzten Impfung des Tages leere Impfdosen und Unterlagen in Plastikbehälter.

„Wir sind sehr dankbar, dass wir hier in der Kirche impfen können“, sagt Ute Breuer, Ärztin in der Hausarztpraxis von Sevine Tokdemir. „Der ganze Ablauf hier, die Wartezeit der Patienten – alles ist deutlich angenehmer und stressfreier als bei den Impfungen in den Praxis­räumen.“

Vor der Tür gewartet

Sevine Tokdemir ist langjährige Hausärztin im Winterhuder Wohngebiet Jarrestadt, in dem auch die Epiphaniengemeinde ihre Heimat hat. Die Räume ihrer Praxis sind klein und verwinkelt. „Als wir noch in der Praxis geimpft haben, mussten die Leute vor ihrem Termin bei Hitze oder Regen vor der Tür stehen“, erzählt Tokdemir. Denn nach der Impfung müssen die Patienten noch eine Weile warten. Das habe die Abläufe in ihrer Praxis deutlich verzögert, weil mehrere Räume durch die Wartenden blockiert worden waren.

Mit viel Abstand warten die Patienten in der Kirche
Mit viel Abstand warten die Patienten in der KircheImke Plesch

Auf der Suche nach größeren Räumlichkeiten lag es für sie auf der Hand, die Epiphaniengemeinde anzusprechen. Die Kirche liegt nur 500 Meter von ihrer Praxis entfernt, die Räume sind groß, und sie hatte direkte Ansprechpartner. „Und viele unserer Patienten sind stark mit der Epiphaniengemeinde verbunden“, erzählt Tokdemir.

„Gerade zu Beginn der Pandemie hat Frau Tokdemir vor allem im Altenheim Epiphanienhaus immer schnell und unkompliziert geholfen“, erzählt Elisabeth Witthoff, Mitglied im Kirchengemeinderat. Als die Anfrage für die Nutzung des Kirchenraumes kam, habe sie gern zugesagt. „Wir sind froh, wenn wir als Gemeinde dazu beizutragen können, dass möglichst schnell möglichst viele Leute geimpft werden.“

Andächtige Stimmung

Seit Mitte Mai sind an vier Terminen bereits mehr als 1000 Menschen in der Epiphanienkirche geimpft werden. Himmelfahrt waren beispielsweise von früh morgens bis spät abends vier Ärztinnen im Einsatz. „Wir haben die Kerzen am Altar angezündet, und am Nachmittag konnten die Wartenden sogar noch einer Orgelprobe lauschen“, so Witthoff. „Es war den ganzen Tag eine friedliche und andächtige Stimmung.“

Geimpft wird in mehreren Nebenräumen der Kirche. Auf den Stühlen im Hauptraum warten die Menschen vor und nach ihrer Impfung. Neben jeden Stuhl haben Witthoff und andere Gemeindemitglieder einen Papphocker vom Kirchentag gestellt, darauf liegt ein Begrüßungszettel und die aktuelle Ausgabe des Gemeindebriefs. „Es ist schön, dass die Menschen bei der Impfung einen Moment innehalten können“, sagt Witthoff. Und auch kirchenferne Menschen hätten so die Gelegenheit, mal wieder einen Kirchenraum zu betreten. „Unsere Kirche soll für alle ein offener Ort sein, eine Plattform mitten im Quartier.“

Weitere Impftage geplant

Tokdemir ist dankbar, dass sie so deutlich mehr Menschen an einem Tag impfen kann als in ihrer Praxis. Wenn sie genügend Impfstoff geliefert bekommt, möchte sie auch im Juni weitere Impftage in der Ephiphanienkirche organisieren.