„Wir singen eigentlich immer“ – Der Dresdner Kreuzchor feiert sein 800-jähriges Bestehen

800 Jahre Tradition: Der Dresdner Kreuzchor zählt zu den ältesten Knabenchören der Welt. Bis heute besteht seine wichtigste Aufgabe darin, die Vespern und Gottesdienste in der Kreuzkirche zu gestalten. Für den Chor nehmen die Jungs viel auf sich. – Von Katharina Rögner

Mit einem Festakt in der Semperoper feierte der Dresdner Kreuzchor am Freitag (04.03.16) zusammen mit der Kreuzkirche und der Evangelischen Kreuzschule sein 800-jaehriges Bestehen.
Mit einem Festakt in der Semperoper feierte der Dresdner Kreuzchor am Freitag (04.03.16) zusammen mit der Kreuzkirche und der Evangelischen Kreuzschule sein 800-jaehriges Bestehen.Matthias Rietschel / epd-bild

Dresden. Der Chorprobenraum füllt sich, aus allen Richtungen strömen Jungs zwischen 9 und 19 Jahren auf ihre Plätze. Ein Neunjähriger ruckelt sich auf dem Stuhl zurecht. Ein anderer Viertklässler muss seinem Nachbarn noch schnell etwas sagen. Es ist Donnerstag 14 Uhr beim Dresdner Kreuzchor. Erste Gesamtchorprobe der Woche. Geübt wird für die Vesper am Samstag. Was zuvor in den einzelnen Stimmlagen geprobt wurde, soll nun auch zusammen schön klingen.
Der Dresdner Kreuzchor feiert in diesem Jahr sein 800-jähriges Bestehen – zusammen mit der Kreuzkirche und der Kreuzschule, dem heutigen Evangelischen Gymnasium. Etwa 100 Auftritte lang ist das Jubiläum für die Sänger. Am Freitag lud die Stadt als Träger des Kreuzchores zu einem Festakt in die Dresdner Semperoper ein.
Die Kruzianer unter Leitung von Kreuzkantor Roderich Kreile bestritten das musikalische Programm zusammen mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden. "Wir erhoffen uns, dass etwas von dem Glanz uns noch weiterträgt", sagt Kreile zum Jubiläumsjahr 2016. Es sei eine besonders "reiche Zeit". Erstmals wird der Chor in diesem Jahr an den Salzburger Osterfestspielen teilnehmen. Eine Premiere hatte es für die rund 130 Jungen bereits 2015 mit einem Open-Air-Weihnachtskonzert im Dynamo-Stadion gegeben.
Doch trotz Festjahr: Die Routineaufgaben bleiben, so eben auch die Vorbereitung der Samstags-Vespern in der Kreuzkirche, die von den Kruzianern traditionell jede Woche – außer in den Ferien – gestaltet werden. Chordirigent Peter Kopp sitzt am Flügel und ist gespannt, was die Jungs diese Woche schon alles drauf haben. Er leitet die Gesamtchorproben im Wechsel mit Kreuzkantor Kreile.
Präzise arbeitet er die Feinheiten von gleich mehreren Stücken heraus, jeder Ton muss stimmen, jeder Akkord sitzen. Als Dirigent ist Kopp das Ohr des Chores: "Gut getroffen, aber zu laut", sagt er. Oder: "Musikalisch ist alles richtig, aber es klingt noch nicht." Und auch ermuntern muss er: "Ihr dürft keinen Zweifel an den Tönen haben – bei dem ‚Dis‘ verlieren manche die Nerven."
Es sind Details, die den berühmten Klang des Kreuzchores ausmachen. Viele Stunden Übung sind notwendig, bis sich die Töne glockenhell in die Höhe schwingen und etwa der Bass nicht mehr grummelt. Der Tagesablauf der Jungs ist vorprogrammiert: Schule, Lernen, Singen, Instrumentalausbildung und immer wieder Proben.
"Wir singen eigentlich wirklich immer", beschreibt der 18-jährige Janis Hanig den Alltag. Zeit für eigene Aktivitäten bleibt da kaum. Viele Jungs wohnen im sogenannten Alumnat neben der Kreuzschule – selbst die aus Dresden. Wegen der kurzen Wege. Zu zweit oder dritt teilen sich jeweils Gleichaltrige ein Zimmer. Für etwa 90 der 130 Kruzianer ist das Internat des Chores über neun Jahre Arbeits- und Lebensraum zugleich. Ein Kosmos, aus dem sie sich kaum herausbewegen.
Nach 90 Minuten resümiert Kopp: "Das war eine sehr interessante Probe, am Anfang habt ihr alles gegeben, am Ende klang es nicht mehr nach Kreuzchor." Sie müssten lernen, ihre Kraft einzuteilen, auch das gehöre zu einem Sänger, gibt er ihnen mit auf den Weg. Dann leeren sich die Plätze schnell, Dutzende Jungs eilen zur Vesperpause.
"Das war mal eine wirklich anstrengende Probe", sagen Janis und sein Freund Jan Lang. Die beiden jungen Männer sind schon "alte Hasen", sie singen seit sie neun sind im Chor, Jan inzwischen als Tenor, Janis im Bass. Aber die Auftritte entschädigten für alles, das sei ein tolles Gefühl, sind sie sich einig. Vor allem das Konzert im Dezember im Dynamo-Stadion vor so vielen Menschen – immerhin rund 15.000 – sei ganz toll gewesen, sagt Fußballfan Janis.
Die beiden 18-Jährigen stehen kurz vor dem Abitur. In diesem Schuljahr haben sie schon eine ganze Reihe Ausfalltage, vor allem wegen der beiden Asien-Tourneen. Das bedeutet, jede Menge Stoff nachholen und Arbeiten nachschreiben. Wirklich lustig ist das nicht.
Auch ein Kruzianer hat bis zum Abitur – wie in Sachsen üblich – nur zwölf Schuljahre, könnte aber bei dem Pensum an musikalischen Verpflichtungen gut ein 13. Jahr gebrauchen. Janis und Jan rechnen nicht mit so guten Noten – zumindest nicht in Mathe und Chemie. Aber auf das Abitur an sich wollten sie nicht verzichten. Daher werden die beiden im Jubiläumsjahr neben vielen Noten auch viel Unterrichtsstoff pauken müssen. (epd)