Wie in einem pädagogischen Labor

In Hamburg gibt es einen gemeinsamen Religionsunterricht für Schüler aller Religionen. Möglicherweise wird daran bald auch die katholische Kirche mitwirken.

Auch das Erzbistum Hamburg will sich wohl am "Religionsunterricht für alle" beteiligen (Symbolbild)
Auch das Erzbistum Hamburg will sich wohl am "Religionsunterricht für alle" beteiligen (Symbolbild)Meike Böchemeyer / epd

Hamburg. In Hamburg ist man stolz darauf, ein bundesweit einmaliges Modell des Religionsunterrichts entwickelt zu haben. Am „Religionsunterricht für alle“ (Rufa) sind  evangelische Christen, Muslime, Juden und Aleviten gleichberechtigt beteiligt – und möglicherweise bald auch die katholische Kirche. Sie will am Donnerstag bekanntgeben, ob sie künftig bei dem interreligiösen Format mitmacht. Angekündigt ist eine Pressekonferenz mit Erzbischof Stefan Heße und Schulsenator Ties Rabe (SPD). Alles deutet darauf hin, dass sich die Kirche für eine Beteiligung am „Rufa“ ausspricht.

Während in anderen Bundesländern der Religionsunterricht nach Religionen und Konfessionen getrennt erteilt wird, werden die Schüler in Hamburg bereits seit Jahrzehnten im „Rufa“ gemeinsam unterrichtet. Die Inhalte wurden im protestantisch geprägten Hamburg viele Jahre allein von der evangelischen Kirche bestimmt. 2019 wurde das Modell zu einem „Rufa 2.0“ weiterentwickelt, der seither gleichberechtigt von vier Religionen verantwortet wird. Alle Beteiligten dürfen eigene Religionslehrer entsenden.

Katholiken bislang außen vor

Die katholische Kirche hat sich bislang nicht am „Rufa“ beteiligt, weil sie einen konfessionsgebundenen Religionsunterricht bevorzugt. Im Zuge der Reform 2019 startete sie an ausgewählten Schulen ein Modellprojekt, um zu prüfen, ob der Lehrplan die Unterschiede der Konfessionen und Religionsgemeinschaften ausreichend berücksichtigt.

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße
Der Hamburger Erzbischof Stefan HeßeRalf Adloff / epd

Ein religionspädagogischer Gutachter empfahl dem Erzbistum bei einer Tagung im Januar die Beteiligung. Erzbischof Heße zeigte sich daraufhin offen: „Viele theologische und religionspädagogische Gründe sprechen mir für einen Beitritt der katholischen Kirche zum Rufa.“ Das Erzbistum überzeugt an dem Modell vor allem, dass es sich nicht um einen religionskundlichen Unterricht aus neutraler Perspektive handelt. Vielmehr soll der „Rufa“ gemäß dem Grundgesetz „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt werden. Das heißt, die jeweiligen Lehrer müssen der Religionsgemeinschaft angehören, die sie vertreten. Gegensätze zwischen den Religionen und Konfessionen sollen klar benannt werden.

Schon mit der Weiterentwicklung des „Rufa“ 2019 wurden an der Universität Hamburg zusätzlich Lehramtsstudiengänge für islamische und alevitische Religion eingerichtet. Mit dem potenziellen Einstieg des Erzbistums ist das Versprechen der Stadt verbunden, das bestehende Institut für katholische Theologie auszubauen.

Gleichberechtigter Partner

Ein Beitritt zu dem Modell hätte Auswirkungen auf die staatlichen Schulen in Hamburg und ihre rund 24.000 katholischen Schüler. Weil die Katholiken in Hamburg in der Minderheit sind, wird dort rein katholischer Religionsunterricht aktuell kaum erteilt. Die katholischen Schüler nehmen bereits an dem interreligiösen Unterricht teil. Bei einer Beteiligung am „Rufa 2.0“ würde die katholische Kirche als gleichberechtigter Partner auch inhaltlich daran mitwirken.


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Mit der anstehenden Entscheidung will das Erzbistum auch eine Lösung für die etwa 100 katholischen Religionslehrer an staatlichen Schulen finden. Sie sind bislang inoffiziell am „Rufa“ beteiligt, brauchen aber dafür spätestens ab dem nächsten Schuljahr eine offizielle Beauftragung durch den Erzbischof. Für die 20 katholischen Schulen in Trägerschaft des Erzbistums Hamburg mit ihren rund 7.000 Schülern hätte die Entscheidung keine Auswirkungen. Dort wird weiterhin rein katholischer Religionsunterricht erteilt.

Ähnlich wie in Hamburg wird auch in anderen Bundesländern um die künftige Gestaltung des Religionsunterrichts gerungen. In mehreren Ländern lernen bereits katholische und evangelische Schüler gemeinsam. Verantwortlich für den Unterricht ist aber meist weiterhin entweder die eine oder die andere Konfession. Niedersachsen prüft derzeit die Einführung eines „gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterrichts“. So weit wie in Hamburg geht jedoch bislang niemand.

Folgen andere Bundesländer?

„Wir sind uns bewusst, dass wir hier in Hamburg gleichsam in einer Art religionspädagogischem Labor arbeiten, das von der Wissenschaft, von anderen Diözesen, in anderen Bundesländern sehr aufmerksam verfolgt wird“, so Erzbischof Heße im Januar. Das Hamburger Modell sei jedoch nicht ohne Weiteres auf andere Bundesländer übertragbar. Es dürfte laut Heße organisatorisch in einem Flächenland kaum umsetzbar sein und gebe eine sehr spezifische Antwort auf die Hamburger gesellschaftlichen Bedingungen. (KNA)