Wie Figuren aus Pappe eine Kirche bewachen

Weil immer weniger Menschen zum Gottesdienst kommen, hatte Pastor Gebser aus Ivenack eine Idee: Figuren aus Pappmaché für die erste Reihe. Jetzt bewachen die Kirchners sein Gotteshaus.

Das Ehepaar Kirchner hat die erste Reihe reserviert – dauerhaft
Das Ehepaar Kirchner hat die erste Reihe reserviert – dauerhaftTilman Baier

Ivenack. Wer die Schlosskirche zu Ivenack betritt, trifft unweigerlich auf Herrn und Frau Kirchner, die seit über einem Jahr rund um die Uhr unermüdlich in der ersten Bankreihe rechts Wache halten. Leider sind beide stumm, sonst könnten sie viel über die Geschichte dieser Kirche erzählen, die ein großes Stück Mecklenburger Landeshistorie abdeckt. Einst stand hier ein 1252 gegründetes Zisterzienserinnenkloster, das nach der Reformation in den Besitz der Landesherren überging.

Zerstört im Dreißigjährigen Krieg, ist Ivenack ein hervorragendes Beispiel dafür, wie in der Folge dieses Krieges der Besitz und damit der Einfluss der Ritterschaft zunahm: Das herzogliche Gut Ivenack ging an die Familie von Koppelow, die hier ab 1709 über den Trümmern Schloss und Schlosskirche errichten ließ. An den unterschiedlichen Wappen in der Kirche ist zu sehen, dass das Gut schon bald durch Heirat an Angehörige des mecklenburgischen Uradels fiel, einer Linie derer v. Plessen und weiter durch Erbe samt dem Titel Reichsgraf an eine verwandte Linie derer v. Maltzahn.

Adlige Historie

Fast scheint es, ab ob so viel adlige Historie ringsum auch auf das Ehepaar Kirchner abgefärbt hat, wie es dort in der ersten Bank hoheitsvoll thront. Dabei sind die Frau und dieser Mann doch nur lebensgroße Figuren aus Pappmaché und Draht, wie man nach den ersten verwunderten Blicken entdeckt.

Auf dieses Paar hin angesprochen, klärt Pastor Eckhart Gebser auf: Die Kirchners, so hat er sie genannt, haben zwar im Pfarrhaus zu Ivenack das Licht der Welt erblickt. Aber ihre Familie lebt in Mittelamerika, genauer, in Guatemala. Dort lernte Eckhart Gebser bei seiner Arbeit als Pastor der deutschen Auslandsgemeinde die Piñatas kennen – Figuren aus Pappmaché, die zu Kindergeburtstagen und ähnlichen Anlässen mit Süßigkeiten gefüllt werden.

Weitere Figuren angedacht

Vielleicht haben die Kirchners deshalb etwas Aristokratisches an sich, weil besonders Prinzessinnen als Piñatas beliebt sind. Sie sind auch nicht als Kirchenaufsicht gedacht gewesen. Denn darum, dass die Kirche von April bis Oktober tagsüber geöffnet hat, kümmere sich seit Jahrzehnten schon die gegenüber der Kirche wohnenden Strehlows – „eine sehr nette katholische Familie“, wie der Pastor sagt.

Auf die Idee, selbst solche Figuren zu basteln, kam Eckhart Gebser, „weil der Gottesdienstbesuch hier nicht so doll ist“. Wie er erzählt, habe er schon darüber nachgedacht, etliche weitere Bankreihen mit solchen Gestalten zu füllen. Doch die vorerst zwei Figuren – royale Verwandschaft hin, Pappmaché her – erfüllen dann doch ehrenamtlich einen Dienst: Treu wachen sie über die geöffnete Kirche.