Wie eine Hamburger Kirchengemeinde ihr Viertel „fairändern“ will

Hamburg. Global denken, lokal handeln: das ist das Motto des Projektes „Neugraben fairändern“. Damit will eine Kirchengemeinde fairen Handel in ihren Stadtteil bringen – noch hat sie es nicht ganz geschafft.

Begonnen hat alles mit einer Erbschaft. Eine Frau hinterließ der evangelisch-lutherischen Michaelisgemeinde eine große Summe Geld: mit der Auflage, etwas gegen den Hunger in der Welt zu tun. Die Gemeinde war bereits seit mehr als 30 Jahren in der Eine-Welt-Arbeit aktiv, das Geld sollte unter anderem zugunsten des Nepalprojektes eingesetzt werden.
Der Kirchenvorstand entschied, dass ein Teil des Geldes direkt in den Stadtteil fließen sollte. Nach einem halben Jahr Vorbereitungszeit durch Projektleiterin Antje Kurz und ein Begleitteam aus Ehrenamtlichen ging das Projekt „Neugraben fairändern“ im September 2011 an den Start. „Wir haben uns gedacht, dass es zwar schön ist, irgendwo anders etwas gegen den Hunger zu tun“, sagt Kurz. „Aber dass sich erst dann etwas ändert, wenn die Menschen auch hier direkt vor Ort umdenken.“

Ziele: faire Kaffee-Zone Neugraben

Konkretes Ziel von „Neugraben fairändern“ war und ist, die Menschen im Stadtteil mit Produkten aus dem fairen Handel in Berührung zu bringen, sie zu sensibilisieren und zu motivieren, das eigene Konsumverhalten zu ändern. Dazu veranstaltet die Projektgruppe regelmäßige öffentliche Veranstaltungen wie Film-Abende, Ausstellungen, Workshops und Vorträge. Zielgruppen des Projektes sind Schulen, Kindergärten und Jugendgruppen, Cafés, Kantinen, Praxen, Kanzleien und andere Unternehmen.
„Eines unserer Projekte ist die Kaffeekampagne, mit der wir Neugraben zu einer fairen Kaffeezone machen wollen“, erklärt Kurz. Möglichst viele Einrichtungen im Stadtteil sollten davon überzeugt werden, fair gehandelten Kaffee auszuschenken. „Wir haben bereits 45 bis 50 Betriebe angesprochen – Friseure, Autowerkstätten, alle möglichen Firmen. Tatsächlich erreicht haben wir, dass fünf oder sechs mitmachen. Das ist nicht spektakulär, aber immerhin ein Anfang“, so Kurz. Langfristig ist geplant, einen Stadtplan zu erstellen, auf dem verzeichnet ist, wo man im Stadtteil fair gehandelten Kaffee trinken kann.

Jeder Haushalt soll faire Produkte kaufen

Ein weiteres Ziel war, dass jeder Haushalt in Neugraben-Fischbek regelmäßig ein Produkt aus fairem Handel kauft. Dazu sollten gute Einkaufsmöglichkeiten geschaffen werden, und eine Arbeitsgruppe sollte im Stadtteil kontinuierlich über Globalisierung und Gerechtigkeit informieren. Knapp vier Jahre nach dem Start des Projekts bilanziert Kurz: „Wir haben es wohl nicht geschafft, dass in jedem Haushalt etwas aus fairem Handel gekauft wird. Aber wir haben das Thema im Stadtteil implementiert und die Produkte zugänglich gemacht. Das ist ja auch schon ein Erfolg.“
Der kirchliche Entwicklungsdienst der Nordkirche hat Kurz‘ Stelle nach den ersten beiden Jahren auf vier Jahre verlängert. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Gruppen hat das Projekt am Leben gehalten. Der Zuspruch sei immer größer, die Zusammenarbeit mit Schulen und Kindertagesstätten intensiver geworden. „Vor vier Jahren wäre zu unseren Workshops wohl noch keiner gekommen, heute hat sich das herumgesprochen. Man kennt uns im Stadtteil“, erzählt Kurz stolz. Vor allem  durch den Projektladen im Einkaufszentrum. 13 bis 14 Ehrenamtliche sind hier tätig. „Wir wollen im nächsten Jahr weitere Arbeitsgemeinschaften aufbauen“, sagt Kurz. Und da ihre Stelle nicht mehr lange gesichert ist, arbeitet sie nun daran, wie das Projekt auch ohne eine hauptamtliche Kraft weitergehen kann.